Corona in der Rechtsprechung:
Aktuelle Entscheidungen zu Entgeltfortzahlung, Urlaub und Corona-Bonus
Aktuelle Entscheidungen zu Entgeltfortzahlung, Urlaub und Corona-Bonus
Die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auftauchenden Fragen werden inzwischen auch von den Arbeitsgerichten aufgearbeitet: Das Arbeitsgericht Bonn hatte zu entscheiden, ob eine Arbeitnehmerin wegen einer Quarantäneanordnung während ihres Urlaubs Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage hat. Das Arbeitsgericht Aachen hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn er während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zusätzlich eine Quarantäneanordnung erhält. Vor dem Arbeitsgericht Oldenburg klagte ein ausgeschiedener Arbeitnehmer gegen die vom Arbeitgeber im Wege der Aufrechnung durchgesetzte Rückzahlung eines Corona-Bonus.
Vor dem Arbeitsgericht Bonn klagte eine Arbeitnehmerin auf Nachgewährung von Urlaubstagen. Ihr war für den Zeitraum vom 30. November bis zum 12. Dezember 2020 Urlaub gewährt worden. Aufgrund eines positiven Corona-Tests vom 1. Dezember 2020 erging ihr gegenüber eine behördliche Quarantäneanordnung bis zum 7. Dezember 2020. Krankheitssymptome traten bei der Klägerin nicht auf, auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lag nicht vor. Die Arbeitnehmerin verlangte von ihrem Arbeitgeber die Nachgewährung von fünf in den Quarantänezeitraum fallenden Urlaubstagen.
Das Arbeitsgericht Bonn (Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 Ca 504/21) wies die Klage ab. Die Voraussetzungen für eine Nachgewährung von Urlaubstagen gemäß § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) lägen nicht vor, weil es an einer nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit fehle. § 9 BUrlG regelt, dass bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht gleich. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit obliege vielmehr allein dem behandelnden Arzt.
Auch komme eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf Fälle einer angeordneten Quarantäne nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke und einer mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbaren Lage fehle. Eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit Auch die Leitlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sähen bei einem symptomlosen Verlauf die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht generell vor, denn es könne durchaus die Möglichkeit bestehen, dass die Arbeitsleistung an einem häuslichen Arbeitsplatz weiterhin erbracht werden kann. Da die Klägerin keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe – das Gericht weist hier ausdrücklich auf die Möglichkeit der „telefonischen Krankschreibung" hin, weil die Klägerin vorgetragen hatte, das Aufsuchen eines Arztes sei ihr aufgrund der Quarantäneanordnung unmöglich gewesen –, habe sie im Ergebnis keinen Anspruch auf Nachgewährung der in den Quarantänezeitraum fallenden Urlaubstage.
Diesem Ergebnis ist grundsätzlich zuzustimmen. Arbeitgeber*innen sollten daher im Falle eines Zusammentreffens von Urlaub und Quarantäne prüfen, ob neben der Quarantäneanordnung auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.
Das Arbeitsgericht Aachen (Urteil vom 30. März 2021 - 1 Ca 3196/20) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn er während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zusätzlich eine Quarantäneanordnung erhält.
Der klagende Arbeitnehmer suchte im Mai 2020 wegen Kopf- und Magenschmerzen sowie Schüttelfrost und Fieber einen Arzt auf. Dieser stellte seine Arbeitsunfähigkeit fest und bescheinigte für den Zeitraum vom 19. Mai bis einschließlich 1. Juni 2020 eine Arbeitsunfähigkeit. Das Gesundheitsamt verhängte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 25. Mai 2020 eine häusliche Quarantäne für den Zeitraum vom 19. Mai bis einschließlich 2. Juni 2020, obwohl der vom Arzt durchgeführte SARS-CoV-2-Test ein negatives Ergebnis zeigte.
Nachdem die Arbeitgeberin von der Quarantäneanordnung erfuhr, zog sie zunächst an den Kläger nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geleistete Entgeltfortzahlung in der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IFSG) aus. Sie war der Ansicht, dass bei einem Zusammentreffen von Quarantäne und Erkrankung Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz die Entgeltfortzahlungsansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verdrängten.
Das Arbeitsgericht Aachen kommt in seiner – sehr ausführlich begründeten – Entscheidung zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG auch dann fortbestehe, wenn anschließend eine Quarantäneanordnung erfolge. Zwar sei es richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruches voraussetze. Diese Voraussetzung liege hier jedoch vor, da der Arzt die Arbeitsunfähigkeit attestiert habe. In diesem Fall sei die diagnostizierte Erkrankung der Grund des Arbeitsausfalls und der im Falle einer Quarantäneanordnung ggf. bestehende Anspruch auf Zahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz sei nicht einschlägig.
Zum einen bedinge eine angeordnete Quarantäne nicht zwangsläufig eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, die einen Wegfall der Vergütungspflicht nach sich ziehen würde. Dies hänge unter anderem davon ab, ob die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht auch aus dem Homeoffice erbracht werden könne. Aber auch wenn die Quarantäne zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt, ergäbe sich der Vorrang der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz aus der Regelung in § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG. Der Entschädigungsanspruch soll bereits seinem Wortlaut nach nur subsidiär eingreifen, wenn der Verdienst kausal aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen entfällt. Zum Zeitpunkt der Quarantäneanordnung Erkrankte hätten – anders als lediglich Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider – generell keinen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Regelung solle nicht den ansonsten nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zahlungspflichtigen Arbeitgeber entlasten. Dies zeige auch die neue Regelung in § 56 Abs. 7 IfSG, wonach eine Person entschädigungsberechtigt bleibt, wenn gegen sie bereits infektionsschutzrechtliche Maßnahmen angeordnet wurden und sie nachträglich arbeitsunfähig wird. Die Regelung wäre überflüssig, würde man von einem generellen Vorrang des infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruchs ausgehen.
Das Arbeitsgericht Aachen gab der Klage auf Entgeltfortzahlung daher statt. Arbeitgeber*innen müssen sich unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil im Ergebnis wohl weiterhin darauf einstellen, dass für Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz hohe Hürden bestehen.
Vor dem Arbeitsgericht Oldenburg klagte ein ausgeschiedener Arbeitnehmer gegen die von seiner Arbeitgeberin geforderte Rückzahlung eines zuvor geleisteten Corona-Bonus. Der Arbeitnehmer hatte offenbar im Frühjahr 2021 sein Arbeitsverhältnis gekündigt. Im November 2020 hatte er einen Corona-Bonus in Höhe von EUR 550,00 erhalten. Sein Arbeitsvertrag sah eine Verpflichtung zur Rückzahlung freiwilliger Sonderzahlungen vor, sofern er innerhalb von zwölf Monaten nach deren Erhalt auf eigenes Verlangen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Die Arbeitgeberin verrechnete daraufhin den zuvor ausgezahlten Corona-Bonus mit den Gehaltszahlungen für März und April 2021.
Das Arbeitsgericht Oldenburg (Urteil vom 25. Mai 2021 - 6 Ca 141/21) gab der Klage des Arbeitnehmers auf Auszahlung des verrechneten Betrages statt.
Zum einen sei die im Arbeitsvertrag vereinbarte Rückzahlungsklausel schon deshalb wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam, weil sie auch für Sonderzahlungen, die mehr als EUR 100,00 aber weniger als ein Monatsgehalt betragen, eine Bindungsfrist von zwölf Monaten vorsehe. Zulässig wäre nach der BAG-Rechtsprechung nur eine Bindung bis zum Ende des nachfolgenden Quartals.
Darüber hinaus sei die Bindung in diesem Fall auch deshalb unzulässig, weil mit dem Corona-Bonus offenbar die erbrachte Arbeitsleistung honoriert wurde. Eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, könne nach der BAG-Rechtsprechung nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden. Wegen des Hinweises der Arbeitgeberin gegenüber ihren Mitarbeiter*innen, die Sonderzahlung erfolge „einmalig steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie" sei davon auszugehen, dass diese auch der Vergütung von Arbeitsleistungen diene. Ein objektiver Dritter in der Rolle des Empfängers würde dies so verstehen, dass die Arbeitgeberin mit der Zahlung der Prämie die besonderen Belastungen der Mitarbeiter*innen während der Corona-Pandemie in gewissem Rahmen finanziell ausgleichen und anerkennen wolle. Dies betreffe den zurückliegenden Zeitraum und die in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung. Insofern sei eine Rückzahlungsklausel für diesen Fall insgesamt unzulässig. Mangels wirksamer Aufrechnung sei daher die einbehaltene Vergütung nachzuzahlen.
Ausgehend von dieser Argumentation des Arbeitsgerichts Oldenburg dürfte die Rückforderung eines Corona-Bonus somit selbst dann scheitern, wenn eine im Übrigen wirksame Rückzahlungsklausel vereinbart wurde.
Zu beachten ist, dass es sich bei den oben dargestellten Entscheidungen sämtlich um erstinstanzliche Entscheidungen handelt. Es bleibt abzuwarten, wie über etwaige Rechtsmittel entschieden wird und ob sich die darin aufgestellten Grundsätze auch bei anderen Arbeitsgerichten durchsetzen werden. Gleichwohl bieten die Entscheidungen eine erste Orientierung für Arbeitgeber*innen.
Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie zu diesen Themen weitere Fragen haben.
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