Geimpft, Genesen, Getestet – was ist im Betrieb möglich?

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>> Update: Aufgrund der beschlossenen Neuregelung des § 28b IfSG dürfen nach der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten - voraussichtlich am 24. November 2021 - nur noch Mitarbeiter*innen zum Arbeiten in den Betrieb kommen, die geimpft, genesen oder negativ getestet sind und dies nachweisen. Die häufigsten sich hieraus ergebenden Fragen beantworten wir Ihnen in diesem Beitrag vom 22. November 2021. <<

Angesichts erneut stark ansteigender Corona-Infektionszahlen stellt sich für viele Arbeitgeber*innen abermals die Frage, welche Schutzmaßnahmen sie in ihren Betrieben implementieren dürfen oder müssen, um Risiken für ihre Belegschaft zu vermeiden und einen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie zu leisten. Die politische Diskussion hat in den letzten Tagen erheblich an Fahrt aufgenommen – aktuell schlagen unter anderem die „Ampel-Parteien" vor, für alle Arbeitsplätze eine gesetzliche 3G-Regel einzuführen. Einzelheiten der Ausgestaltung und Umsetzung sind derzeit allerdings noch völlig offen. Bereits realisiert wurde dieser Plan in Bayern, wo seit wenigen Tagen die 3G-Regel am Arbeitsplatz gilt - jedoch erst ab einer Inzidenz von 300 oder wenn die Intensivstationen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Dabei ist insbesondere die datenschutzrechtliche Situation unübersichtlich: Einerseits sind Arbeitgeber durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung gehalten, die Impfbereitschaft innerhalb der Belegschaft zu fördern und den Impf- oder Genesenenstatus, sofern dieser bekannt ist, bei der Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Andererseits hat erst im Oktober 2021 die Datenschutzkonferenz – ein Gremium der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder – einen Beschluss veröffentlicht, in dem sie die Rechtsauffassung vertritt, dass Arbeitgeber*innen in der Regel nicht nach dem Impfstatus ihrer Beschäftigten fragen und diese Information auch nicht verarbeiten dürfen. Hiervon ausgenommen sollen nur Arbeitgeber*innen aus dem Gesundheits- und Betreuungsbereich sein, für die besondere gesetzliche Regelungen gelten (vgl. §§ 23a, 23 Abs. 3, 36 Abs. 3 IfSG). Eine weitere Ausnahme soll gelten, wenn Beschäftigte Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz für die Dauer einer Quarantäne geltend machen, weil das Vorhandensein bzw. Fehlen einer entsprechenden Schutzimpfung Auswirkungen auf den Entschädigungsanspruch haben kann (vgl. § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG). Welche Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber*innen bestehen, die nicht unter die gesetzlich definierten Ausnahmen fallen, lässt die Datenschutzkonferenz offen.

Vor diesem Hintergrund ist bei der Einführung einer 3G-Regel am Arbeitsplatz bis zu einer zu erwartenden gesetzlichen Neuregelung Vorsicht geboten. Bei allen Nachweisen, also Impf-, Genesenen- oder Testnachweis, werden Gesundheitsdaten der Beschäftigten abgefragt. Gesundheitsdaten gehören zu den besonders sensiblen personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung nach der DSGVO grundsätzlich verboten und nur in besonderen Ausnahmefällen erlaubt ist.

  1. Ohne nähere Begründung geht die Datenschutzkonferenz davon aus, dass § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG nicht als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung des Datums „Impfstatus" in Betracht käme. Diese Vorschrift erlaubt die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – darunter auch Gesundheitsdaten – für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, wenn dies zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Unseres Erachtens dürfte § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG schon jetzt als rechtliche Grundlage für eine Verarbeitung des Impf- bzw. Genesenenstatus einschlägig sein, sofern Arbeitgeber*innen diesen Status – gemäß den Vorgaben von § 2 Abs. 1 S. 3 der Corona-Arbeitsschutzverordnung – im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzeptes berücksichtigen wollen. Um die mit entsprechenden betrieblichen Schutzmaßnahmen verbundenen Eingriffe in die vom Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrechte und die allgemeine Handlungsfreiheit der geimpften und genesenen Beschäftigten möglichst gering zu halten, könnte unter dem Gesichtspunkt der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht sogar eine Verpflichtung dazu anzunehmen sein. Inwiefern das Interesse von Beschäftigten an der Geheimhaltung ihres Impf- oder Genesenenstatus überwiegen sollten, erscheint kaum nachvollziehbar.

    Allerdings war der Gesetzgeber in Bezug auf Fragerechte von Arbeitgeber*innen nach diesen Gesundheitsdaten bislang leider sehr zurückhaltend. In der Presseveröffentlichung des Bundesarbeitsministeriums zur letzten Änderung der Corona-Arbeitsschutzverordnung im September 2021 wurde betont, dass grundsätzlich keine entsprechende Auskunftspflicht der Beschäftigten über ihren Impf- oder Genesenenstatus bestünde. Allein das Fehlen einer Auskunftspflicht und ggf. eines Fragerechtes schließt es nach unserer Auffassung jedoch nicht aus, dass Arbeitgeber*innen ihnen durch eine Auskunft der Beschäftigten bekannt gewordene Informationen über deren Impf- bzw. Genesenenstatus auf der Grundlage von § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG rechtmäßig verarbeiten dürfen.

  2. Interessanterweise weist auch der sonst eher „strenge" Hamburgische Datenschutzbeauftragte ausdrücklich darauf hin, dass Arbeitgeber*innen, die Kenntnis darüber haben, welche Beschäftigten geimpft sind, dieses Wissen nach § 2 Abs. 1 der Corona-Arbeitsschutzverordnung bei der Ausgestaltung ihrer betrieblichen Arbeitsschutzkonzepte verwenden können. Naturgemäß erfordert dies eine Verarbeitung der entsprechenden Daten. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte führt hierzu aus, dass lediglich ein Vermerk über das Vorliegen des Impfnachweises und den bestehenden Impfschutz erfolgen dürfe. Eine Kopie des Impfausweises sei nicht erforderlich und folglich datenschutzrechtlich unzulässig. Ferner seien angemessene – ggf. sehr kurze – Löschfristen vorzusehen (siehe https://datenschutz-hamburg.de/pages/corona-faq „Covid-19 im Beschäftigtenverhältnis: Abfrage des Impfstatus durch Arbeitgeber:innen", Abruf vom 10. November 2021).

  3. Als weitere Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung kann zudem eine Einwilligung der Beschäftigten dienen, die allerdings nur wirksam ist, wenn erforderlichen formalen Voraussetzungen erfüllt sind und wenn sie freiwillig erklärt wurde. In ihrem Beschluss hebt die Datenschutzkonferenz hervor, dass im Arbeitsverhältnis – aufgrund des Über- und Unterordnungsverhältnisses – regelmäßig Zweifel an der Freiwilligkeit bestehen dürften. Diese Bedenken kommen auch in § 26 Abs. 2 BDSG zum Ausdruck, schließen aber eine wirksame Einwilligung im Arbeitsverhältnis nicht generell aus.

    Von einer freiwilligen Einwilligung kann nach den Vorgaben der DSGVO grundsätzlich ausgegangen werden, wenn der Betroffene eine echte oder freie Wahl hat und in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden. Nach unserer Einschätzung dürfte insbesondere dann, wenn Arbeitgeber*innen ihren Beschäftigten Home-Office ermöglichen und einen 3G-Nachweis nur für das Betreten des Betriebes verlangen, die Einwilligung freiwillig und damit wirksam sein. Arbeitgeber*innen können aber auch bei fehlender Home-Office-Möglichkeit schon bisher eine generelle Testpflicht anordnen, wenn dies aufgrund der konkreten betrieblichen Verhältnisse geboten ist (hierzu unser Beitrag). Stellen sie in einem solchen Fall den Beschäftigten frei, sich entweder testen zu lassen oder einen Impf- bzw. Genesenenstatus nachzuweisen, dürften an der Freiwilligkeit einer entsprechenden Mitteilung wohl keine Zweifel bestehen.

    Von einer freiwilligen Einwilligung kann darüber hinaus auch ausgegangen werden, wenn Arbeitgeber*innen und Beschäftigte gleichgelagerte Interessen verfolgen (vgl. § 26 Abs. 2 S. 2 BDSG). Vor diesem Hintergrund gäbe es unseres Erachtens weitere Möglichkeiten, die Zweifel an der Freiwilligkeit einer Einwilligung zu beseitigen, etwa wenn die Lockerung von Schutzmaßnahmen (z.B. Maskenpflicht) ab einer gewissen Impfquote in Aussicht gestellt wird.

Ohne klare gesetzliche Vorgaben verbleiben allerdings rechtliche Risiken für Arbeitgeber*innen. Daher ist eine zügige Regelung der offenen Fragen durch den Gesetzgeber sehr wünschenswert. Es bleibt abzuwarten, ob eine für die betriebliche Praxis sinnvolle Lösung gelingen wird. Wir werden Sie dazu auf dem Laufenden halten.

Bei weiteren Fragen zu diesen Themen sprechen Sie uns gern an.

Für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags danken wir Frau Rechtsreferendarin Sandra Brechtel.

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