Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern im Umsatzsteuerrecht

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Urteil vom 27. November 2019 (Az. V R 23/19 und Az. V R 62/17) entschieden, dass ein Mitglied eines Aufsichtsrats entgegen bisheriger Rechtsprechung nicht als Unternehmer tätig ist, sofern es aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Hierzu und zu einem vorigen Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 13. Juni 2019 (Az. C-420/18) hatten wir mit Beiträgen im Mai 2020 sowie September 2019 berichtet.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nimmt sich in seinem Schreiben vom 8. Juli 2021 der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten an und führt aus, dass Aufsichtsratsmitglieder, die aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko tragen, im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nicht selbständig tätig sind. Die neuen Grundsätze werden in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen.

Eine Festvergütung liegt laut BMF insbesondere im Fall einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Nach Auffassung des BMF liegen bei Sitzungsgeldern, die für die tatsächliche Teilnahme an der Sitzung gezahlt werden, sowie bei nach tatsächlichem Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen, keine Festvergütungen vor.

Besteht die Aufsichtsratsvergütung sowohl aus festen als auch aus variablen Bestandteilen, ist das Aufsichtsratsmitglied umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich selbständig tätig. Dies gilt allerdings nur, wenn der variable Bestandteil im Kalenderjahr mindestens 10% der gesamten Vergütung, einschließlich enthaltender Aufwandsentschädigungen, beträgt. Bei Reisekostenerstattungen handelt es sich nicht um Vergütungsbestandteile. Demzufolge sind diese bei der Ermittlung der 10%-Grenze nicht zu berücksichtigen.

Das BMF stellt klar, dass ein kein Vergütungsrisiko tragendes Mitglied eines Aufsichtsrats nicht deshalb selbständig tätig wird, weil es unter den Voraussetzungen des § 116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet.

Die Regelungen des BMF-Schreibens gelten auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen. Für Beamte, andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft und Mitglieder der Bundesregierung sowie Landesregierungen sieht das BMF unter weiteren Voraussetzungen eine Sonderregelung vor.

Zur Anwendbarkeit führt das BMF aus, dass die Regelungen in allen offenen Fällen anzuwenden sind. Allerdings wird es nicht beanstandet, wenn die bisher geltenden Regelungen in A 2.2. Abs. 2 S. 7 und Abs. 3 S. 1 UStAE auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 ausgeführt worden sind. Dies gilt ausdrücklich auch für Zwecke des Vorsteuerabzuges.

Das BMF-Schreiben ist insbesondere vor dem Hintergrund der erwarteten Nichtbeanstandungsregelung zu begrüßen, da dieses insoweit Rechtssicherheit bringt. Die 10%-Grenze sollte besondere Beachtung finden.

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