Am 16. Dezember 2020 verabschiedete der Bundestag das Jahressteuergesetz (JStG) 2020. Mit diesem ergeben sich zahlreiche Änderungen auf dem Gebiet der Umsatzsteuer. Der Fokus der Änderungen liegt insbesondere auf der Umsetzung des europäischen MwSt-Digitalpakets. Änderungen betreffen die Lieferungen über elektronische Schnittstellen, Einfuhren von Sendungen mit einem Sachwert von max. EUR 150,00 und den Bereich der Versandhandelsregelung. Die Änderungen im Rahmen des Digitalpakets treten zum 1. Juli 2021 in Kraft.
Weiter wird es Änderungen bzgl. der Steuerbefreiungen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales geben. Zudem erfolgte eine Klarstellung über die Wirkung nachträglicher Rechnungs-berichtigungen. Weitere Änderungen betreffen die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf Wiederverkäufe von Kommunikationsdienstleistungen und Preisnachlässen in einer Leistungskette.
Auf diese und weitere umsatzsteuerliche Änderungen gehen wir nachstehend kurz ein, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.
Seit 1. Januar 2021
Steuerbefreiungen im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales (§ 4 Nr. 16 UStG)
Es erfolgt eine Ausweitung der Steuerbefreiung auf Einrichtungen, die zwar selbst keine Pflege- oder Betreuungsleistungen erbringen, aber eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen erbringen.
Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen gegenüber Studierenden und Schülern (§ 4 Nr. 23 Buchst. c UStG)
In der neuen Vorschrift wird klargestellt, dass auch Beherbergungsleistungen gegenüber Studierenden und Schülern an Hochschulen und bestimmten Schulen der Steuerbefreiung unterliegen.
Steuerbefreiung für die Leistungen eines Verfahrensbeistands (§ 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStG)
Leistungen von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen als auch von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen können steuerfrei sein, wenn diese vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen bestellt wurden.
Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Telekommunikations-dienstleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 12 und § 13b Abs. 5 S. 6 UStG)
Mit der Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens auf Wiederverkäufe von Telekommunikationsdienstleistungen (vor allem Gesprächsminuten) soll sichergestellt werden, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden.
Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis (§ 14 Abs. 4 S. 4 UStG)
Es wird klargestellt, dass eine Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis ist. Bei bereits eingetretener Festsetzungsverjährung aufseiten des Leistungsempfängers kann dies zu einem endgültigen Verlust des Vorsteuerabzuges führen.
Minderung der BMG bei einem grenzüberschreitenden Preisnachlass in einer Lieferkette (§ 17 Abs. 1 S. 6 UStG)
Sofern ein Unternehmer innerhalb einer Leistungskette einem nicht unmittelbaren Abnehmer einen Preisnachlass gewährt oder einen Teil des gezahlten Entgelts erstattet, tritt eine Minderung der Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers, wenn der Leistungsbezugs des begünstigten Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Diese Gesetzesänderung soll gewährleisten, dass eine Minderung der Umsatzsteuer ausgeschlossen ist, sofern die Lieferung an den begünstigten Abnehmer im Inland nicht steuerpflichtig ist.
Angaben in der ZM bei Inanspruchnahme der Konsignationslagerregelung (§ 18a Abs. 6 Nr. 3, Abs. 7 Nr. 2a UStG)
Es erfolgte eine Klarstellung darüber, wie bei Inanspruchnahme der Konsignationslagerregelung mit einem Erwerberwechsel umzugehen ist.
Zeitliche begrenzte Erteilung einer USt-IdNr. (§ 27a Abs. 1a UStG)
Zukünftig kann die Gültigkeit einer deutschen USt-IdNr. zeitlich begrenzt werden, wenn ernsthafte Anzeichen vorliegen oder nachgewiesen ist, dass diese für Zwecke der Schädigung des Umsatz-steueraufkommens verwendet wird. Einige Mitgliedstaaten haben bereits in der Vergangenheit USt-IdNrn. begrenzt bzw. gelöscht. Auch aus diesem Grund ist eine regelmäßig wiederkehrende Überprüfung von bspw. in den Stammdaten befindlichen USt-IdNrn. von Geschäftspartnern anzuraten.
Dezentrale Besteuerung von Gebietskörperschaften (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG)
Die Neuregelungen betreffen die Umsatzbesteuerung von Bund und Ländern sowie die Zuständigkeit für die Besteuerung für die Besteuerung von Organisationseinheiten des Bundes und der Länder.
Ab 1. Juli 2021
Warenlieferungen über elektronische Schnittstellen
Durch § 3 Abs. 3a UStG-E wird in bestimmten Fällen ein Reihengeschäft zwischen Onlinehändler, elektronischer Schnittstelle (z. B. Online-Marktplatz) und Endkunde fingiert. Dadurch werden die Betreiber elektronischer Schnittstellen fiktiv als Lieferer und Verkäufer in die Liefer-/Umsatzkette mit einbezogen.
Ausweitung des MOSS-Verfahrens auf das OSS-Verfahren
Das bisherige Mini-One-Stop-Shop-Verfahren („MOSS") zur Anmeldung elektronischer Dienstleistungen soll ab dem 1. Juli 2021 durch das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) ersetzt werden. Dieses weitet die Anwendung auf weitere Umsatzarten aus. Darüber erfolgen durch das JStG 2020 auch Änderungen bestimmter Besteuerungsverfahren.
Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG
In Folge der Ausweitung des One-Stop-Shop-Verfahrens greifen auch neue Aufzeichnungspflichten, auf die wir an dieser Stelle jedoch nicht eingehen können.
Fernverkäufe
Die bisherige Versandhandelsregelung in § 3c UStG wird geändert. Hierfür werden die länderspezifischen Lieferschwellen in eine einheitliche Umsatzschwelle von EUR 10.000 geändert. In diese Schwelle sind die in § 3a Abs. 5 UStG genannten sonstigen Leistungen (bspw. auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen) einzubeziehen. Darüber hinaus ist die Ausdehnung des OSS-Verfahrens auf Fernverkäufe vorgesehen. Dieses unter bestimmten Voraussetzungen anwendbares Verfahren kann zu einer Vermeidung einer Registrierungspflicht im EU-Ausland führen.
Fiktives Reihengeschäft bei Umsätze über eine elektronische Schnittstelle
Unter bestimmten Voraussetzungen wird bei Umsatzgeschäften eines Onlinehändlers, einem Betreiber einer elektronischen Schnittstelle sowie einem Endkunden ein Reihengeschäft fingiert.
Kleinbetragssendungen
Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Sendungen von geringem Wert (bis EUR 22,00) aus dem Drittland wird abgeschafft. Für die Einfuhr mit einem Sachwert von höchstens EUR 150,00 findet unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung Anwendung.
Bußgeldvorschriften
Änderungen der Bußgeldvorschriften der § 26a ff. UStG sowie die Ergänzung steuerlicher Vorschriften um Entrichtungsgebote sollen zukünftig die Ahndung einer vorsätzlichen verspäteten Zahlung ermöglichen. In diesem Zusammenhang kann eine Überprüfung der entsprechenden Prozesse sowie die Erteilung eines Lastschriftsmandats empfehlenswert sein.
Besteuerung grenzüberschreitender Personenbeförderungen
Die Vereinfachungsregelung des § 5 UStDV, wonach bestimmte grenzüberschreitenden Personenbeförderungen, bei denen die inländischen Streckenanteile in einer Fahrtrichtung nicht länger als zehn Kilometer sind, als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen sind, wird aufgehoben.
Dazu passende Artikel
-
Auswirkungen des Bruchs der Regierungskoalition auf das Gemeinnützigkeitsrecht
-
Neue Wegzugsbesteuerung für Anteile an Investmentfonds
-
Jahressteuergesetz 2024 beschlossen
-
Veräußerung von Fremdwährungsbeträgen oftmals steuerpflichtig