Ist das Aufteilungsgebot hinsichtlich des Steuersatzes für Beherbergungsumsätze unionsrechtswidrig?

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Hintergrund

Nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darf eine einheitliche Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts nicht aufgeteilt werden. Vielmehr teilen Nebenleistungen das umsatzsteuerliche Schicksal der jeweiligen Hauptleistung. Dies stellt den sog. Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung dar.

Das deutsche Umsatzsteuergesetz enthält allerdings in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG ein Aufteilungsgebot hinsichtlich des Steuersatzes für Beherbergungsleistungen. Demnach wird ausschließlich die Übernachtungsleistung gemäß der aktuellen Rechtslage dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterworfen, während auf etwaige Nebenleistungen, wie z. B. das Frühstück und Spa-Leistungen, der Regelsteuersatz von 19 % Anwendung findet. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass das gesetzliche Aufteilungsgebot bei Beherbergungsleistungen unionsrechtskonform ist und dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vorgeht.

Neben dem genannten Aufteilungsgebot hinsichtlich des Steuersatzes bei Beherbergungsleistungen sieht das deutsche Umsatzsteuergesetz auch ein Aufteilungsgebot bei Grundstücksüberlassungen vor, soweit Betriebsvorrichtungen mitüberlassen werden (§ 4 Nr. 12 S. 2 UStG). In diesem Kontext hat der V. Senat des BFH im Mai 2021 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das in § 4 Nr. 12 S. 2 UStG geregelte Aufteilungsgebot dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vorgeht (Beschluss vom 26. Mai 2021; Az. V R 22/20). Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Az. C 516/21 geführt.

Vorlagebeschluss des BFH

Aufgrund des Vorlagebeschlusses des V. Senates vom Mai 2021 hat der XI. Senat des BFH nun ebenfalls ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots bei Beherbergungsumsätzen mit dem Unionsrecht angemeldet. In seinem Beschluss vom 7. März 2022 (Az. XI B 2/21) hat der XI. Senat daher in einem bei ihm anhängigen Verfahren die Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt. Streitgegenstand des mittlerweile ausgesetzten Verfahrens sind Einnahmen aus der Überlassung von Hotelunterkünften, die inklusive Frühstück und Zugang zu einer hoteleigenen Badelandschaft angeboten wurden.

Auch wenn es sich bei dem Vorlagebeschluss des XI. Senates um ein AdV-Verfahren handelt, wird sich zunächst der EuGH und danach der BFH in nicht allzu ferner Zukunft in einem Hauptsacheverfahren mit der Thematik beschäftigen müssen, da aktuell mehrere Revisionsverfahren beim XI. Senat des BFH zur Aufteilung von Beherbergungsumsätzen auf unterschiedliche Steuersätze anhängig sind.

Folgen für die Praxis

Der oben angeführte AdV-Beschluss sorgt für Bewegung in der Diskussion, ob das im deutschen Umsatzsteuergesetz vorgesehene Aufteilungsgebot bei Beherbergungsumsätzen dem Unionsrecht entspricht.

Wir halten es daher für empfehlenswert, dass betroffene Unternehmen gegen ihre Umsatzsteuerbescheide Einspruch einlegen sowie in dem Zuge unter Verweis auf das anhängige Verfahren beim EuGH einen Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO stellen. Durch dieses Vorgehen können entsprechende Umsatzsteuerbescheide offengehalten werden, bis sich die Gerichte zur genannten Thematik geäußert haben. Zusätzlich zum Einspruch kommt in bestimmten Fällen zudem noch ein Antrag auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung in Höhe des strittigen Umsatzsteuerbetrags in Betracht. Ein solcher Antrag ist unseres Erachtens jedoch lediglich in solchen Fällen begründet, in denen betroffene Unternehmen erbrachte Nebenleistungen zur Beherbergung nur mit 7 % Umsatzsteuer ihren Kunden in Rechnung gestellt haben. Im Falle eines höheren Steuerausweises würde es sich potenziell um eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG handeln, sodass ein Antrag auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung unserer Auffassung nach insoweit unbegründet wäre.

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