Neue Rechtsprechung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft

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Mit der Entscheidung vom 15. April 2021 (Urteil. v. 15.4.2021 – Az. C-868/19) äußerte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut zum Thema der umsatzsteuerlichen Organschaft. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hatte sich zuvor mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gewandt. Vereinfacht dargestellt ging es u.a. um die Frage des Bestehens einer umsatzsteuerlichen Organschaft auch bei Beteiligung von nicht finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliederten Personen.

Zuletzt entschied der EuGH im Jahr 2015 darüber, unter welchen Voraussetzungen eine umsatzsteuerliche Organschaft auch bei einer Personengesellschaft anzunehmen ist. Ausgehend von der Sichtweise des EuGH entschied der V. Senat des BFH (Az. V R 25/14) im Zuge einer teleologischen Extension, dass auch Personengesellschaften unter restriktiven Voraussetzungen als Organgesellschaft möglich seien. Dieser Auffassung stand der XI. Senat des BFH (Az. XI R 38/12) kritisch gegenüber, ließ diesen Aspekt in seinen bisherigen Entscheidungen bislang jedoch offen.

In der aktuellen Entscheidung schließt sich nun der EuGH im Grundsatz der Sichtweise des XI. Senats des BFH an und verwirft die enge Auslegung des V. Senats. Demnach darf die Möglichkeit zur Bildung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Gesellschafter der Personengesellschaften neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind. Als Konsequenz kann eine Personengesellschaft auch dann als Organgesellschaft in Betracht kommen, wenn das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung der Gesellschafter in das Unternehmen zu verneinen ist.

Diese EuGH-Entscheidung widerspricht somit der Auffassung der Finanzverwaltung unter A. 2.8 Abs. 5a UStAE sowie der Sichtweise des V. Senats des BFH. Die Finanzverwaltung ist gegenwärtig an die Ausführungen im UStAE gebunden. In begründeten Fällen könnten sich Mandanten auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung berufen.

Das Urteil enthält zudem weitere interessante Aussagen. So führt der EuGH aus, dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf Besonderheiten ihres nationalen Rechts berufen können, um den in Art. 11 MwStSyStRL (Anmerkung: unionsrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Organschaft) dargestellten Voraussetzungen eine weitere hinzuzufügen.

Darüber hinaus hebt der EuGH unter Rz. 64 hervor, dass eine Organschaft von der Bewilligung durch die Finanzverwaltung abhängig gemacht werden könnte. Weiterhin heißt es, dass eine solche Bewilligung und der schriftliche Nachweis der Eingliederungsvoraussetzungen Rechtsunsicherheiten von vornherein verhindern und zugleich einen wirksamen Schutz vor Missbräuchen bieten würden. Es existiert bereits ein Eckpunktepapier des BMF aus dem Jahr 2019, das sich mit einer Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft auseinandersetzt. Entsprechende Überlegungen sind zu begrüßen.

Wir werden die Nachfolgeentscheidung sowie die weitere Entwicklung im Auge behalten.

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