Mitternachtsgeschäfte im Handels- und Steuerrecht

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Das Wichtigste auf einen Blick

  • Kürzlich entschied der Bundesfinanzhof, dass die Veräußerung des gesamten Grundbesitzes einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums für die erweiterte Grundstückskürzung schädlich ist.
  • Dies hat enorme Auswirkungen für die Frage des Umfangs der zu zahlenden Gewerbesteuer und führt im Ergebnis zu einer (beträchtlich) höheren Steuerbelastung.
  • Beim Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist auf die Formulierung zu achten. Vorzugswürdig ist die Formulierung „mit Ablauf des 31. Dezember 2024 (24:00 Uhr)“.
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Häufig werden der Verkauf und die Übertragung von Grundstücken oder Unternehmensbeteiligungen als sogenanntes Mitternachtsgeschäft ausgestaltet. Das heißt, dass die Übertragung der Anteile bzw. des Grundstücks mit Wirkung zum Ablauf des alten bzw. zu Beginn des neuen Geschäftsjahres erfolgt. Üblicherweise wird dies unter Verwendung eines Doppeldatums „31. Dezember (24:00 Uhr) /1. Januar (00:00 Uhr)“ zum Ausdruck gebracht.

Fehlgeschlagenes Mitternachtsgeschäft – böses Erwachen vor dem Bundesfinanzhof

Zum Ende des letzten Jahres hat der Bundesfinanzhof in einer gewerbesteuerlichen Entscheidung (Urteil vom 17. Oktober 2024, Az.: III R 1/23) die Bedeutung des Übergangszeitpunkts von Nutzen und Lasten bei Grundstücksgeschäften in Erinnerung gerufen.

Die Klägerin, eine Immobilien-GmbH, deren alleiniger Zweck der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Grundbesitz war, veräußerte im Jahr 2016 ihre letzte Immobilie. Im Grundstückskaufvertrag war bestimmt, dass alle das Vertragsobjekt betreffenden Nutzen und Lasten „ab Beginn des 31. Dezember 2016“ auf den Erwerber übergehen sollten.

Im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärung für den Erhebungszeitraum 2016 wurde die sogenannte erweiterte Grundstückskürzung (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. GewStG) angewandt, wonach der Gewinn aus der Grundstücksverwaltung und -veräußerung unter bestimmten Voraussetzungen gewerbesteuerfrei ist und damit nur Körperschaftsteuer anfiel.

Das Finanzamt unterwarf jedoch den gesamten Gewinn (insbesondere aus der Veräußerung des Grundstücks) der Gewerbesteuer. Das daraufhin angerufene Finanzgericht gewährte der Klägerin die erweiterte Grundstückskürzung und hob den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2016 auf. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.

Bundesfinanzhof: Erweiterte Kürzung nur bei ausschließlicher Verwaltung eigenen Grundbesitzes

Auf die Revision des Finanzamts wurde das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Bundesfinanzhof erklärte, dass die erweiterte Grundstückskürzung unter anderem nur gelte, wenn ausschließlich eigener Grundbesitz verwaltet wird. Das Merkmal „ausschließlich“ sei gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen. Außerdem handele es sich bei der Gewerbesteuer um eine sogenannte Jahressteuer, die für das Kalenderjahr erhoben wird. (Die begünstigte Tätigkeit müsse daher während des gesamten Erhebungszeitraums vorliegen. Im zu entscheidenden Fall gingen Nutzen und Lasten bereits mit Beginn des 31. Dezember 2024 auf den Erwerber über, sodass jedenfalls am 31. Dezember 2024 (ein Tag) keine begünstigte Tätigkeit vorgelegen habe.

In einem früheren Urteil (vom 11. August 2004, Az. I R 89/03) hat ein anderer Senat des Bundesfinanzhofs in der Formulierung „zum 31. Dezember, 23:59 Uhr“ allerdings keinen schädlichen Übertragungszeitpunkt gesehen. Der erste Senat sah dabei in der fehlenden Minute eine „technisch bedingte“ Ausnahme vom Ausschließlichkeitsgebot, die für die erweiterte Grundstückskürzung unschädlich sei. Streng genommen handelt es sich hierbei um eine vom Gesetz nicht vorgesehene Ausnahme, sodass ein Übergang „zum 31. Dezember, 24:00 Uhr“ zu bevorzugen ist, um Streitigkeiten mit dem Finanzamt vorzubeugen.

In welchem Zusammenhang spielen Mitternachtsgeschäfte sonst im Steuerrecht eine besondere Rolle?

Neben der genannten Gewerbesteuerproblematik spielen Mitternachtsgeschäfte auch in anderen Bereichen des Steuerrechts eine (durchaus entscheidende) Rolle.

So dürfte die im oben genannten Streitfall genannte Formulierung bei der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen dazu führen, dass eine (zeitanteilige) Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG für den Altgesellschafter nicht mehr in Betracht kommt.

Daneben stellt sich etwa die Frage, ob bei Anteilsübertragungen von Kapitalgesellschaftsanteilen eine bestehende ertragsteuerliche Organschaft nahtlos vom Erwerber fortgeführt werden kann. Dies ist nach dem „Mitternachtserlass“ der Finanzverwaltung dann möglich, wenn der (veräußernde) Organträger das Eigentum an den Anteilen bis zum letzten Tag, 24:00 Uhr, des alten Wirtschaftsjahrs behält und der neue (erwerbende) Organträger das Eigentum am ersten Tag, 00:00 Uhr, erwirbt.

Auch für die Frage des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ im Sinne des § 8c KStG kann der Zeitpunkt des Übergangs des Eigentums relevant werden. Hiernach gehen bei einem Anteilserwerb von über 50 % der Gesellschaftsanteile bei Kapitalgesellschaften die steuerlichen Verluste unter (Hinweis: die Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG wird derzeit aufgrund von Zweifeln der Finanzgerichtsbarkeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft - Az. 2 BvL 19/17).

Darstellung eines Mitternachtsgeschäfts im handelsrechtlichen Abschluss

Handelsrechtlich stellt sich die Frage, in welchem Jahr das (zivil-)rechtliche/wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung übergeht.

Bilanzierung beim Veräußerer

Wird die Formulierung „zum Ablauf des alten/Beginn des neuen Geschäftsjahres" verwendet, ist handelsrechtlich nicht eindeutig, ob die Übertragung im alten oder neuen Geschäftsjahr erfolgt.

In der Praxis darf der Veräußerer daher in einem solchen Fall im handelsrechtlichen Abschluss frei wählen, ob die Gewinnrealisierung im alten oder neuen Geschäftsjahr erfolgen soll. Gleiches gilt, wenn kein Doppeldatum verwendet wird, sich jedoch aus der Formulierung ergibt, dass die Übertragung der Beteiligung im Schnittpunkt (gedachte juristische Sekunde) zweier Geschäftsjahre gewollt ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn für den Übertragungszeitpunkt die Formulierung „... Ablauf des 31. Dezember (24:00 Uhr)" verwendet wird.

Ein Mitternachtsgeschäft liegt jedoch nicht vor, wenn die Übertragung gerade nicht im Schnittpunkt zwischen zwei Geschäftsjahren, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im alten oder erst im neuen Geschäftsjahr erfolgt, also wenn die Abtretung der Anteile „zum 31. Dezember (24:00 Uhr)" oder „zum 1. Januar (00:00 Uhr)" vereinbart wird. In diesem Fall hat der Veräußerer kein Wahlrecht. Entsprechend der Vereinbarung ist der Abgang der Beteiligung im alten („zum 31. Dezember 24:00 Uhr") bzw. neuen Geschäftsjahr („zum 1. Januar 00:00 Uhr") zu erfassen.

Bilanzierung beim Erwerber

Der Erwerber hat bei Vorliegen eines Mitternachtsgeschäft den Zugang der Beteiligung (spätestens) im neuen Geschäftsjahr zu erfassen.

Wird die Formulierung „... mit Ablauf des 31. Dezember (24:00 Uhr)" verwendet, finden sich für die Behandlung beim Erwerber unterschiedliche Auffassungen in der Literatur. Zum einen wird die Meinung vertreten, dass der Erwerber in dieser Konstellation den Zugang des Anteils zwingend im neuen Geschäftsjahr zu erfassen hat. Zum anderen vertritt der DRSC e.V. (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.) die Auffassung, dass die Formulierung „mit Ablauf des 31. Dezember" einen Übergang des rechtlichen/wirtschaftlichen Eigentums „... mit Ablauf des 31. Dezember" vom Veräußerer auf den Erwerber bedingt. Die Anteile sollen dann zwingend bereits in den jeweiligen Jahresabschlüssen zum 31. Dezember als Abgang beim Veräußerer und gleichzeitig als Zugang beim Erwerber zu erfassen sein.

Fazit: Vor- und Nachteile des Mitternachtsgeschäfts abwägen

Planen Sie den Übergang des Eigentums bewusst und unter Berücksichtigung der denkbaren steuerlichen und handelsrechtlichen Folgen. Wir empfehlen daher eine rechtzeitige (steuerliche) Beratung. Hierdurch können ungewünschte steuerliche (Mehr-)Belastungen unter Umständen vermieden werden.

Gemeinsam verfasst mit Steven Baier, Referendar.

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