Grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 2021 (II R 44/18) konkretisiert, wann ein Grundstück aus grunderwerbsteuerlicher Sicht zum Vermögen einer Gesellschaft i. S. des § 1 Abs. 2a GrEStG gehört und damit einen Erwerbsvorgang nach dem Grunderwerbsteuergesetz auslöst. Nach dem Urteil ist auch bei mehrstöckigen Beteiligungen der Grundsatz anzuwenden, dass ein Grundstück einer Untergesellschaft einer Obergesellschaft nur dann grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist, wenn die Obergesellschaft das Grundstück selbst durch einen grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgang erworben hat.

Keine Änderung der Zurechnung der Grundstücke durch Einbringung

Klägerin war eine GmbH & Co. KG (Obergesellschaft), die bereits seit Gründung zu 99,97 % an einer Holding AG (Untergesellschaft) beteiligt war. Die Holding AG hatte im Jahr 1994 mehrere Grundstücke erworben. Durch eine Aufstockung der Beteiligung war die Obergesellschaft seit 2002 zu 100 % an der Untergesellschaft beteiligt. Im Jahr 2011 wurde der gesamte Konzern umstrukturiert, im Zuge dessen wurden in qualifizierter Höhe die Anteile an der Obergesellschaft in eine luxemburgische Personengesellschaft eingebracht.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Grundstücke der Untergesellschaft der Obergesellschaft zuzurechnen seien. Folglich sei durch die Einbringung ein steuerbarer Vorgang bei der Obergesellschaft ausgelöst worden, der grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliegt. Dagegen entschied das Finanzgericht (FG) München im ersten Rechtszug, dass die Grundstücke der Untergesellschaft nicht der Obergesellschaft zuzurechnen sind.

Entscheidend ist grunderwerbsteuerlicher Erwerbsvorgang

Der BFH schließt sich dem Urteil des FG München an. Damit ist der Feststellungsbescheid des Finanzamtes für Zwecke der Grunderwerbsteuer rechtswidrig.

In der Urteilsbegründung legt der BFH dar, wann ein Grundstück bei mehrstöckigen Beteiligungen einer Gesellschaft „gehört". Ausgangspunkt ist dabei der Übergang von (damals) mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen an einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren. Sofern im Zeitpunkt des Übergangs dieser Anteile der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück „gehört", löst dieser Übergang einen grunderwerbsteuerlichen Vorgang aus.

Ob im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft „gehört", richtet sich weder nach dem zivilrechtlichen (§§ 873 Abs. 1, 925 BGB) noch nach dem wirtschaftlichen Eigentum (§ 39 AO). Entscheidend ist die grunderwerbsteuerliche Zurechnung. Danach „gehört" ein inländisches Grundstück einer Gesellschaft, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nach § 1 Abs. 2a GrEStG die Gesellschaft selbst zuvor das Grundstück durch einen nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklichten Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist.
Auch wenn ein Grundstück im zivilrechtlichen Eigentum einer Gesellschaft steht, ist es für grunderwerbsteuerliche Zwecke nicht nur dem Vermögen dieser Gesellschaft zugehörig, wenn vor der Übertragung der Anteile an dieser Gesellschaft durch den Gesellschafter ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklicht wurde und das Grundstück somit fiktiv dem Gesellschafter zuzurechnen ist.

Demnach ist ein inländisches Grundstück einer Untergesellschaft der Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft es selbst durch einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG (fiktiv) erworben hat und kein weiterer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklicht wird, der dazu führt, dass das Grundstück fiktiv einen anderen Gesellschafter in der Beteiligungskette zuzurechnen ist. Allein der Erwerb eines Grundstücks durch die Untergesellschaft oder eine Beteiligung an der Untergesellschaft in einer bestimmten Höhe führt nicht zwangsläufig zur Zurechnung des Grundstücks bei der Obergesellschaft und stellt mithin keinen Grunderwerbsteuer auslösenden Erwerbsvorgang i. S. des Grunderwerbsteuergesetzes dar.

Im Urteilsfall waren der Obergesellschaft zum Zeitpunkt (2011) der Übertragung der Anteile der Beteiligung keine Grundstücke der Untergesellschaft zuzurechnen, da die Obergesellschaft selbst nicht durch einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG das Grundstück fiktiv erworben hatte. Auf die mehrheitliche Beteiligung allein ist für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken in solchen Fällen nicht abzustellen, so der BFH.

Kernaussage und Praxishinweis

Der BFH konkretisiert mit dem Urteil seine Rechtsprechung, wann für die Verwirklichung der Ersatztatbestände des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (sog. Share Deals) ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört". Die Grundsätze sind ebenfalls für den neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG (in Kraft seit 1. Juli 2021) anwendbar, da der Wortlaut der Vorschrift ebenfalls darauf abstellt, dass ein inländisches Grundstück zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft „gehört".

Das Urteil hat erheblichen Einfluss auf die Beurteilung von nachgelagerten Anteilsübertragungen innerhalb von Beteiligungsketten, wenn die zivilrechtliche von der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung eines Grundstücks zu einer Gesellschaft abweicht.

Ist bereits ein fiktiver Erwerbsvorgang (insbesondere nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) vorausgegangen, ist fraglich, wie weitere Anteilsübertragungen grunderwerbsteuerlich zu beurteilen sind, wenn sowohl § 1 Abs. 2a als auch § 1 Abs. 2b GrEStG innerhalb der Beteiligungskette auf unterschiedlichen Ebenen erfüllt sind. Zwar ist das Auseinanderfallen des zivilrechtlichen Eigentums und der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung nicht neu, erfährt durch das dargelegte BFH Urteil aber an Bedeutung in der Praxis und bedarf eines besonderen Augenmerks.

Zusammen verfasst mit Frank Niesmann.

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