Was tun bei Insolvenz eines Kunden?

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Ein Insolvenzantrag oder ein eröffnetes Insolvenzverfahren eines Kunden wirkt sich regelmäßig auch auf das eigene Geschäft aus. Geschäftspartner müssen schnell und je nach Phase des Insolvenzverfahrens unterschiedlich handeln. Was bedeutet die Insolvenz für offene Rechnungen und anstehende Lieferungen? Unser Beitrag informiert Sie, was Sie bei der Insolvenz Ihres Kunden beachten sollten und wie Sie Ihre Rechte und Rechtspositionen schützen.

Situation nach Stellung des Insolvenzantrags

Der Geschäftsbetrieb des Kunden wird nach der Stellung des Insolvenzantrags grundsätzlich fortgeführt. Offene Rechnungen gegen den Kunden, etwa aus Lieferungen oder Leistungen, werden ab dem Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags nicht mehr erfüllt. Diese Gläubiger (sogenannte einfache Insolvenzgläubiger) können ihre Forderungen im später eröffneten Insolvenzverfahren lediglich zur Insolvenztabelle anmelden. Sie erhalten dann eine quotale Befriedigung aus der Insolvenzmasse, die sogenannte Insolvenzquote.

Vollständige Bezahlung der Rechnung trotz Insolvenzantrag möglich?

Der Kunde darf offene Rechnungen aus der Zeit vor der Stellung des Insolvenzantrages nicht mehr bezahlen. Geschäftspartner können Forderungsausfälle trotzdem unter bestimmten Umständen vermeiden: Verfügen sie über Sicherungsrechte an Rechten oder Vermögensgegenständen ihrer Kunden, können sie diese verwerten.

Sicherungsrechte sind etwa

  • Eigentumsvorbehalte an gelieferten Waren,
  • Sicherungsabtretungen von Kundenforderungen sowie
  • Pfandrechte an Vermögensgegenständen oder Rechten.

Diese Sicherungsrechte gewähren Geschäftspartnern in der Insolvenz ihrer Kunden ein sogenanntes Absonderungsrecht. Dieses gilt, sofern die Sicherungsrechte nicht bereits verwertet wurden. Das Absonderungsrecht bewirkt dann, dass der gesicherte Geschäftspartner den nach Abzug der Verwertungskosten verbleibenden Erlös aus der Verwertung des Sicherungsrechts bis zur Höhe seiner Forderung gegen den Kunden erhält.

Darüber hinaus kommt auch eine andere Art der Erfüllung der Forderung des Geschäftspartners in Betracht, auch wenn dieser über keine Sicherungsrechte verfügt. Dies ist der Fall, wenn der Geschäftspartner bei Stellung des Insolvenzantrags nicht nur eine Forderung gegen den Kunden, sondern auch eine Verbindlichkeit gegenüber diesem hat. Er kann dann grundsätzlich mit seiner Forderung aufrechnen, sofern die Aufrechnung nicht ausnahmsweise gemäß § 96 InsO ausgeschlossen ist. Nach § 96 InsO ist die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn

  • der Geschäftspartner etwas zur Insolvenzmasse des insolventen Kunden schuldig geworden ist,
  • der Geschäftspartner seine Forderung (Insolvenzforderung) von einem anderen Gläubiger erworben hat,
  • wenn der Geschäftspartner die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat oder
  • wenn der Geschäftspartner, dessen Forderung aus dem sogenannten freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse des insolventen Kunden schuldet.

Für Forderungen, die erst nach Insolvenzantragstellung des Kunden entstanden sind, gelten demgegenüber Besonderheiten.

Vorläufiges Insolvenzverfahren

Das Insolvenzgericht eröffnet nach dem Eingang des Insolvenzantrages in der Regel ein vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kunden. Dabei handelt es sich genau genommen noch nicht um ein Insolvenzverfahren. Das vorläufige Insolvenzverfahren stellt vielmehr den Sammelbegriff für gerichtliche Maßnahmen dar, die bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine den Gläubigern des Schuldners nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners verhüten. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass der Schuldner noch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachteilige Vermögensdispositionen trifft und dadurch die Gläubiger weitere Schäden erleiden.

Eine dieser Sicherungsmaßnahmen ist die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. In aller Regel wird das Insolvenzgericht anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. In diesem Fall ist der vorläufige Insolvenzverwalter ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter, da der Schuldner die Befugnis, sein Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens behält. Ausnahmsweise kann das Insolvenzgericht auch anordnen, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. In diesem Fall ist der vorläufige Insolvenzverwalter ein sogenannter starker vorläufiger Insolvenzverwalter. Der Schuldner kann dann nicht mehr über sein Vermögen verfügen.

Die Dauer des vorläufigen Insolvenzverfahrens ist einzelfallabhängig und daher gesetzlich nicht geregelt. In der Regel beträgt die Dauer rund zwei bis drei Monate ab der Stellung des Insolvenzantrages.

Kann ich nach der Stellung des Insolvenzantrages mit dem Kunden weiter Geschäfte machen?

Nach der Stellung des Insolvenzantrages können Geschäftspartner ihre geschäftlichen Beziehungen mit dem Kunden fortführen oder eine solche Geschäftsbeziehung begründen. Frei von Risiken ist dies nicht. Mit sachkundiger Rechtsberatung können die bestehenden Risiken jedoch minimiert werden. Zum Schutz vor (weiteren) Forderungsausfällen kann es etwa ratsam sein, Lieferungen und Leistungen nur noch per Vorkasse zu erbringen. Forderungsausfälle wären dann ausgeschlossen. 

Andererseits kann es aber sein, dass der Kunde über keine hinreichenden Mittel verfügt, um sämtlichen Lieferanten eine Vorkasse zu gewähren. In diesem Fall könnte die Lieferung etwa unter Eigentumsvorbehalt oder vergleichbaren Sicherungsrechten erfolgen. Schließlich müssen Lieferanten nicht befürchten, dass sie Zahlungen, die sie aufgrund von Bestellungen des Kunden mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erhalten, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzahlen müssen. Insolvenzanfechtungsansprüche werden nach der Rechtsprechung des BGH in aller Regel ausgeschlossen sein.

Die Situation im eröffneten Insolvenzverfahren

Auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Geschäfte mit dem Kunden fortgesetzt bzw. begründet werden. Die Bedingungen unterscheiden sich jedoch vom vorläufigen Insolvenzverfahren. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt: Ausschließlich der Insolvenzverwalter darf über das Vermögen des insolventen Kunden verfügen. Forderungen aus Rechtsgeschäften mit dem Insolvenzverwalter sind sogenannte Masseforderungen, die vorweg (vor Forderungen der Insolvenzgläubiger) aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Vereinfacht gesagt ist der Geschäftspartner so gestellt, als wäre der Kunde nicht insolvent, da seine Forderung wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens in aller Regel vollständig befriedigt wird. Sollte die Insolvenzmasse ausnahmsweise nicht ausreichen, um diese Forderungen zu befriedigen, ist der Insolvenzverwalter ggf. persönlich zum Schadenersatz gegenüber dem Geschäftspartner verpflichtet. Gleiches gilt für Forderungen aus Rechtsgeschäften, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter abgeschlossen wurden.

Forderungen gegen insolventen Kunden geltend machen

Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und bis dahin nicht befriedigt wurden, sind im eröffneten Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle anzumelden. Hat der Geschäftspartner Sicherungsrechte an Rechten oder Rechtsgütern des Kunden, kann er darüber hinaus sein Recht zur abgesonderten Befriedigung an den gesicherten Rechten oder Rechtsgütern geltend machen. Der Insolvenzverwalter wird das Sicherungsrecht dann regelmäßig verwerten und dem gesicherten Geschäftspartner den nach Abzug der Verwertungskosten verbleibenden Verwertungserlös bis zur Höhe der Forderung auszahlen. Reicht der Verwertungserlös nicht, um den gesicherten Geschäftspartner vollständig zu befriedigen, erhält er auf seine verbleibende Restforderung eine Zahlung aus der Insolvenzmasse in Höhe der Insolvenzquote.

Das Insolvenzgericht bestimmt in dem Insolvenzeröffnungsbeschluss eine Frist, bis zu der die Forderungen oder Absonderungs- bzw. Sicherungsrechte beim Insolvenzverwalter anzumelden sind. Es handelt sich dabei jedoch um keine Ausschlussfrist. Forderungen können auch danach bis kurz vor Beendigung des Insolvenzverfahrens noch nachgemeldet werden. Für die Anmeldung der Forderung empfiehlt es sich, die bei jedem Gericht – auch online abrufbar – bereitgestellten amtlichen Formulare zu verwenden.

Für Masseforderungen gibt es hingegen keine Besonderheiten. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, diese vollständig vorweg aus der Insolvenzmasse zu bezahlen. Diese Forderungen sind gegen den Insolvenzverwalter, wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegenüber dem Kunden, geltend zu machen.

Gern unterstützen wir Sie, wenn einer Ihrer Kunden in eine wirtschaftliche Krise gerät, und setzen uns für die Sicherung Ihrer Forderungen sowie die Durchsetzung Ihrer Interessen und Rechte ein. Für eine präventive Prüfung ihrer Maßnahmen zum Schutz vor Forderungsausfällen bei der Insolvenz Ihrer Kunden stehen wir ebenfalls gern zur Verfügung.

 

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