Das Niedersächsische FG stellt Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer in Frage

Das Bundesverfassungsgericht kann dazu nicht entscheiden.

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Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer und daher die Frage, ob diese mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dem BVerfG mit Beschluss vom 18.03.2022 (7 K 120/21) zur Prüfung vorgelegt. Das FG selbst hält die Regelung für verfassungswidrig.

Sachverhalt

In dem Sachverhalt geht es vorrangig um die Frage, inwieweit dem Kläger Provisionszahlungen zuzurechnen sind und um die fehlende Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hinsichtlich dieser Fragen gab das Finanzgericht (FG) dem Kläger zwar Recht, gleichwohl hatte die Klage bisher keinen Erfolg. Denn nach Auffassung des 7. Senats ist die auf die Kapitaleinkünfte festgesetzte Steuer zu niedrig. Die Anwendung der Abgeltungsteuer auf die Kapitaleinkünfte auf Grundlage der geltenden Gesetzeslage erfolgte zwar danach zutreffend, jedoch verstoßen diese Vorschriften gegen die in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Daher sei die Abgeltungsteuer als verfassungswidrig anzusehen.

Ungleichbehandlung bei Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen und anderen Einkünfte

Nach Auffassung des Niedersächsischen FG führt die Abgeltungsteuer zu einer Ungleichbehandlung. Es wird zwischen Steuerpflichtigen, welche Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen und denen, die andere Einkünfte erwirtschaften, unterschieden. Dies zeigt sich insbesondere auch in dem zur Anwendung kommenden Steuersatz. Denn während die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem Fix-Steuersatz von 25 % besteuert werden, unterliegen die Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten der tariflichen Einkommensteuer, so dass der Steuersatz bis zu 45 % betragen kann.

Kein effektiver Steuervollzug durch Abgeltungsteuer

Dabei überzeugt nach Auffassung des Gerichts auch nicht der Grund, warum die Abgeltungsteuer eingeführt wurde. Nach Auffassung des 7. Senats sei die Abgeltungsteuer nicht dazu geeignet, einen effektiven Steuervollzug oder die Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits zu verwirklichen und unabhängig davon sei zudem die Erforderlichkeit dieser Regelung in der Zwischenzeit entfallen, da sich die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert hätten.

Fazit

Wäre das BVerfG der Auffassung des Niedersächsischen FG gefolgt und hätte die Abgeltungsteuer als verfassungswidrig angesehen, hätte dies weitreichende Folgen gehabt. Denn eine Abschaffung der Abgeltungsteuer würde dazu führen, dass Kapitalerträge, wie Zinsen oder Dividenden, nicht wie bisher einer Besteuerung mit 25 % unterliegen, sondern abhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen wieder der tariflichen Einkommensteuer von bis zu 45 %.

Jedoch wurde der Vorlagebeschluss durch Beschluss des FG Niedersachen vom 10. August 2022 aufgehoben. Die Entscheidungserheblichkeit war durch Erledigung der Hauptsache entfallen. Da also das ursprüngliche Verfahren beendet ist, kann das BVerfG
sich zu der vom Niedersächsischen FG aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit in seiner Funktion als Hüter des Grundgesetzes nicht mehr äußern.

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