Update EU-Lieferkettenrichtlinie
Verschärfte Sorgfaltspflichten und reduzierter Anwendungsbereich
Verschärfte Sorgfaltspflichten und reduzierter Anwendungsbereich
Nachdem die Inhalte der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD) lange zur Debatte standen, wurde im März 2024 endlich ein Kompromiss gefunden. Die Richtlinie ist in ihrer finalisierten Fassung am 26. Juli 2024 in Kraft getreten.
Im Vergleich zu der im Trilogverfahren erzielten vorläufigen Einigung enthält die final verabschiedete Version der EU-Lieferkettenrichtlinie einige Änderungen und ist insbesondere hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs deutlich unternehmensfreundlicher ausgestaltet. Insbesondere sind die vorgesehenen Anwendungschwellenwerte deutlich erhöht worden, sodass grundsätzlich erheblich weniger Unternehmen betroffen sein werden.
Der Anwendungsbereich der EU-Lieferkettenrichtlinie umfasst demnach nur noch EU- und Drittstaatenunternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten (statt der ursprünglich geplanten Schwelle von 500 Beschäftigten) und einem Umsatz von mindestens 450 Mio. EUR (statt ursprünglich 150 Mio. EUR).
Die EU-Lieferkettenrichtlinie erfasst künftig im Unterschied zum deutschen LkSG nicht rechtsformunabhängig alle Unternehmen, sondern beschränkt den Anwendungsbereich auf bestimmte Rechtsformen (in Deutschland die AG, KGaA, GmbH, OHG und KG).
Die erhöhten Schwellenwerte sollen zudem nunmehr zeitlich gestaffelt zur Anwendung kommen:
Darüber hinaus wurden in der finalisierten Fassung die Regelungen zur Einbeziehung von Unternehmen, die in sog. Hochrisikobranchen tätig sind, aber nicht die Anwendbarkeitsschwellen der Richtlinie erreichen, ersatzlos gestrichen.
Abgesehen vom eingeschränkten Anwendungsbereich sieht die EU-Lieferkettenrichtlinie insgesamt im Vergleich zum bereits anzuwendenden deutschen LkSG sowohl hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter als auch hinsichtlich des Geltungsbereichs der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten eine deutliche Ausweitung vor. Die künftig zu beachtenden Sorgfaltspflichten decken sich im Wesentlichen mit den (von uns bereits im Rahmen unseres letzten Newsletters aufgegriffenen) risikobasierten Sorgfaltspflichten des LkSG, wie etwa die Schaffung von Risikomanagementsystemen sowie die Ermittlung und Minimierung potenziell negativer Auswirkungen. Neu ist jedoch Folgendes:
Neben menschenrechtlichen Vorgaben gelangen auch klima- und umweltrechtliche Belange mit der EU-Lieferkettenrichtline deutlich stärker in den Fokus, da betroffene Unternehmen künftig eine Reihe weiterer internationaler Umweltabkommen zu beachten haben.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie nimmt (anders als das LkSG) keine Differenzierung zwischen mittel- und unmittelbaren Geschäftspartnern vor, sondern erfasst neben der eigenen Unternehmenstätigkeit auch die Tätigkeiten von Geschäftspartnern im Rahmen der sogenannten Aktivitätskette eines Unternehmens. Sie umfasst die Tätigkeiten aller vorgelagerten direkten und indirekten Geschäftspartner des Unternehmens im Zusammenhang mit der Produktion von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen durch das Unternehmen (upstream-Lieferkette).
Zusätzlich umfasst sie die für bzw. im Namen des Unternehmens ausgeübten Tätigkeiten der nachgelagerten direkten und indirekten Geschäftspartner des Unternehmens im Zusammenhang mit dem Vertrieb, dem Transport und der Lagerung eines Produkts dieses Unternehmens (Teilbereich der downstream-Lieferkette). Sogenannte Entsorgungsleistungen sind in der verabschiedeten Fassung nicht mehr erfasst.
In Anknüpfung an die umweltrechtlichen Vorgaben führt die EU-Lieferkettenrichtlinie, wie bereits im Rahmen der vorläufigen Einigung festgehalten, erstmals eine klimabezogene Sorgfaltspflicht ein. Die vom Anwendungsbereich erfassten Unternehmen werden zur Erstellung, Umsetzung und jährlichen Aktualisierung eines Klimaschutzplans verpflichtet. Der Klimaschutzplan soll die Vereinbarkeit des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft, mit dem 1,5° C-Grad-Ziel des Pariser Übereinkommens und mit dem europäischen Ziel der Klimaneutralität bis 20250 sicherstellen. Die Pflicht zur Verabschiedung und zur Umsetzung eines Klimaplans nach der EU-Lieferkettenrichtlinie entfällt, wenn bereits auf Grundlage der Corporate Sustainability Reportive Directive (kurz: CSRD) entsprechende Verpflichtungen erfüllt werden.
Aufgrund der neu eingeführten hohen Umsatz-Schwellenwerte der CSDDD würden in Deutschland bei entsprechender Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber künftig deutlich weniger Unternehmen in den Anwendungsbereich des LkSG fallen. Ob dies rechtlich und politisch durchsetzbar ist, ist umstritten.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie erfasst aufgrund der Einführung von neuen Umsatzschwellenwerten deutlich weniger Unternehmen als das deutsche LkSG.
Auf politischer Ebene wird daher derzeit eine Anpassung an den Anwendungsbereich der EU-Lieferkettenrichtlinie durch (zeitweise) Erhöhung der Arbeitnehmerschwellenwerte und Einführung von Umsatzschwellenwerten im LkSG diskutiert. Eine solche Anhebung hätte zur Folge, dass zahlreiche verpflichtete Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum den Anwendungsbereich des LkSG wieder verlassen würden und es daher möglicherweise zu einer Absenkung des nationalen Schutzniveaus käme.
Eine solche Absenkung steht jedoch in Konflikt mit einer erst im finalen Kompromisstext eingefügten Regelung, dem sogenannten „Verschlechterungsverbot“. Die Norm bestimmt, dass ein auf nationaler Ebene bereits erreichtes Schutzniveau nicht unter Berufung auf die EU-Lieferkettenrichtlinie abgesenkt werden darf. Die Frage, ob die Übernahme der in der EU-Lieferkettenrichtlinie festgelegten Kriterien (Schwellenwerte) zur Bestimmung des Anwendungsbereichs für das deutsche LkSG einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot begründet oder ob dafür eine inhaltliche Anpassung der Sorgfaltspflichten erforderlich wäre, hängt maßgeblich von der Bedeutung und der Reichweite des Verschlechterungsverbots ab. Diese Frage wird politisch und rechtlich kontrovers diskutiert. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie weitet erneut für EU-, und Drittstaatenunternehmen die Compliance-Pflichten im Bereich ESG massiv aus und stellt die verpflichteten Unternehmen so vor neue Herausforderungen.
Deutschland hat die EU-Lieferkettenrichtlinie bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen. Dies wird voraussichtlich durch Änderungen am LkSG geschehen.
Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass die unter dem LkSG bestehenden Schwellenwerte an die unternehmensfreundlicheren EU-Schwellenwerte angepasst werden. Insofern ist es weiterhin ratsam sich zeitnah und umfassend mit den Anforderungen des LkSG sowie ergänzend der EU-Lieferkettenrichtlinie auseinanderzusetzen und diese in der Praxis umzusetzen. Durch proaktives Handeln auf diesem Feld können nach unserer Erfahrung viel Zeit und Ressourcen gespart werden.
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