Das Wichtigste auf einen Blick
- Neues BMF Schreiben mit einem nicht abschließendem Katalog zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen
- Finanzverwaltung schließt sich BFH an, dass punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse steuerlich anerkannt werden und nicht als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden
Die Finanzverwaltung ändert ihre Auffassung zu inkongruenten Gewinnausschüttungen bei einer GmbH und hat sich der Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Das sorgt für Rechtssicherheit bei vergangenen und zukünftigen Gestaltungen.
Der BFH hat mit seinem Urteil vom 28. September 2022 (VIII R 20/20) klargestellt, dass inkongruente Gewinnausschüttungen für steuerliche Zwecke anzuerkennen sind, wenn ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss durch alle Gesellschafter gefasst wurde.
Bisherige Verwaltungsauffassung: Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss nicht ausreichend
Die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013) vertrat bislang die Auffassung, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss gerade nicht ausreichend ist. Erforderlich für die steuerliche Anerkennung einer von der Satzung abweichenden Gewinnverteilung waren danach eine gem. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG abweichende Regelung oder eine Öffnungsklausel in der Satzung. Letztere regelt, dass mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichenden Gewinnverteilung beschlossen werden kann.
Eine inkongruente Gewinnausschüttung liegt vor, wenn der Gewinn nicht im Verhältnis der an der GmbH beteiligten Anteile ausgeschüttet, sondern ein davon abweichender Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den Gesellschaftern gewählt wird.
Entscheidung des BFH: Punktuelle Satzungsdurchbrechung zivilrechtlich wirksam und steuerlich anzuerkennen
Enthält ein Gesellschaftsvertrag keine gesonderte Regelung zur Gewinnverteilung und keine Öffnungsklausel im Sinne des § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG, sind Gewinne entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG grundsätzlich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen. Hiervon abweichende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung „durchbrechen“ die Satzung und können aus steuerlicher Sicht zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen, die zu vermeiden sind.
Laut BFH liegen keine verdeckten Gewinnausschüttungen vor, wenn der satzungsdurchbrechende Beschluss zivilrechtlich wirksam ist. Hierbei ist zwischen Beschlüssen mit dauerwirkendem Regelungsinhalt und Beschlüssen mit einem punktuellem Regelungsinhalt zu differenzieren.
- Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, die einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung begründen, sind selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung eingehalten werden.
- Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll, sind nicht nichtig, sondern bei einer GmbH entsprechend § 243 I AktG ggf. anfechtbar. Die Anfechtungsberechtigung der Gesellschafter scheidet jedoch aus, wenn sämtliche Gesellschafter der inkongruenten Gewinnverteilung zugestimmt haben.
Offene Gewinnausschüttung bei punktueller Satzungsdurchbrechung
Steuerlich handelt es sich im Falle eines punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlusses um eine offene Gewinnausschüttung für den begünstigten Gesellschafter. Daneben begründet ein solcher keine verdeckte Gewinnausschüttung und keinen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO, wonach den nichtbegünstigten Gesellschaftern etwa nach dem Maßstab ihrer Beteiligung Ausschüttungen zuzurechnen wären. Im Ergebnis werden also offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich nicht abweichend behandelt.
Die Finanzverwaltung schließt sich dem BFH an
Mit BMF-Schreiben vom 4. September 2024 (IV C 2 S 2742/19/10004) ersetzt die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013 und schließt sich nunmehr dem BFH an, wonach inkongruente Gewinnausschüttungen steuerlich grundsätzlich anzuerkennen sind, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind.
Das neue BMF-Schreiben enthält nun einen nicht abschließenden Katalog zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen in folgenden Fällen:
- Abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag nach § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG.
- Im Gesellschaftsvertrag ist eine Öffnungsklausel für eine abweichende Gewinnverteilung verankert.
- Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse, deren Wirkung sich als Einzelakt erschöpft, die von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden sind und von keinen Gesellschaftern angefochten werden können (BFH vom 28. September 2022, VIII R 20/20).
- Gespaltene Gewinnverwendungen, wonach beschlossen wurde, dass der Anteil am Gewinn des Mehrheitsgesellschafters in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird und zugleich ggf. die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, sind steuerlich anzuerkennen. Soweit Gewinne in die Gewinnrücklage eingestellt werden, liegt keine Ausschüttung vor.
- Bei Aktiengesellschaften werden inkongruente Gewinnausschüttungen nur anerkannt, wenn die Abweichung nach dem Maßstab in der Satzung festgelegt wurde (§ 60 Abs. 3 AktG). Andere Formen scheiden aus.
Es ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung inzwischen eine punktuell satzungsdurchbrechende Gewinnverteilung steuerlich ankerkennt.
Mehr Flexibilität hinsichtlich Gewinnausschüttungen in der Praxis
Es ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung inzwischen eine punktuell satzungsdurchbrechende Gewinnverteilung steuerlich ankerkennt. Dies ermöglicht im Einzelfall disquotale Gewinnausschüttungen ohne negative steuerliche Folgen auch ohne eine aufwändige Satzungsänderung, welche insbesondere die notarielle Beurkundung des Beschlusses sowie die Eintragung im Handelsregister umfasst.
Gemeinsam verfasst mit Lennart Saecker
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