Arbeitsrechtliche Inhalte des Koalitionsvertrags – was Unternehmen wissen müssen

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Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Koalitionspartner haben sich auf einen Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode geeinigt.
  • Der Koalitionsvertrag sieht zahlreiche arbeitsrechtliche Neuerungen vor, die Arbeitgeber künftig nach einer Umsetzung beachten müssten.
  • Geplante Änderungen betreffen insbesondere Mindestlohn, Arbeitszeit, Zeiterfassung, steuerfreie Mehrarbeitszuschläge, Befristungsrecht, Tariftreue und die Digitalisierung des Betriebsverfassungsrechts.

Die Koalitionsparteien haben sich auf einen Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages verständigt. Dieser Vertrag enthält zahlreiche Regelungen, die – sofern umgesetzt – Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse und die betriebliche Praxis haben werden. Die wesentlichen Inhalte des Kollisionsvertrags aus Arbeitgebersicht stellen wir Ihnen im Folgenden kurz dar:

Mindestlohn: Zielmarke 15 Euro

Bereits kurz nach dem Bekanntwerden einer Einigung der Koalitionspartner ließ sich den verschiedenen Statements in der Presse entnehmen, dass der Mindestlohn auf EUR 15,00 brutto je Arbeitsstunde steigen könnte. Die Koalitionsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag insoweit festgehalten, dass ein Mindestlohn von EUR 15,00 pro Stunde im Jahr 2026 erreichbar sei. Eine klare Aussage dazu, dass der Mindestlohn auf EUR 15,00 pro Stunde steigen werde, enthält der Koalitionsvertrag nicht, was bereits zu einem öffentlichen Disput zwischen Friedrich Merz und dem Generalsekretär der SPD geführt hat. Fest steht nach dem Koalitionsvertrag nur, dass der Mindestlohn weiterhin von der Mindestlohnkommission festgesetzt wird und sich im Rahmen einer Gesamtabwägung an der Tarifentwicklung und 60 % des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigen orientieren soll.

Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung – elektronisch und flexibel

In diesem Zusammenhang wollen die Koalitionsparteien die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch regeln und für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregelungen vorsehen. Dies dürfte in der Folge der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zu einer weitreichenden Verpflichtung zur Erfassung der täglichen Arbeits- und Pausenzeiten führen.

Die Koalitionsparteien beabsichtigen offenbar, eine elektronische Erfassung vorzusehen. Eine Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung jedenfalls hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) nicht gefordert. Das Bundesarbeitsgericht hat vielmehr in dieser Entscheidung festgestellt, dass sich die aus § 3 ArbSchG folgende Pflicht von Arbeitgeber, ein System zur Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit zu etablieren, nicht zwingend auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form beziehe. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht auch ein hierauf bezogenes Initiativrecht des Betriebsrats abgelehnt. Ob sich eine Pflicht zur elektronischen Erfassung daher im Verlauf der parlamentarischen Behandlung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Daneben soll die Vertrauensarbeitszeit allerdings ohne Zeiterfassung im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie möglich bleiben. Abzuwarten bleibt hier, wie die Koalitionspartner die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, wie sie das Bundesarbeitsgericht aus § 3 ArbSchG herleitet, umsetzen und dabei eine Vertrauensarbeitszeit von der Zeiterfassung ausnehmen wollen.

Des Weiteren wollen die Koalitionäre zur Flexibilisierung der Arbeitswelt Möglichkeiten einer wöchentlichen, statt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen. Damit könnte eine Abkehr vom 8-Stunden-Tag, wie ihn das Arbeitszeitgesetz derzeit vorsieht, möglich werden. Zu den Bedingungen einer solchen Änderung enthält der Koalitionsvertrag allerdings keine Anhaltspunkte.

Steuerfreie Mehrarbeitszuschläge

Darüber hinaus beabsichtigen die Koalitionspartner, Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgeht, steuerfrei zu stellen. Als Vollzeitarbeit soll dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden und für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten.

Inwieweit die Koalitionspartner dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bemessung der Schwelle für die Annahme von Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten umsetzen werden und ob Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten unterhalb der Schwelle der Vollzeitarbeitszeit nicht steuerfrei gestellt werden wird, bleibt abzuwarten.

Prüfen Sie frühzeitig, welche geplanten Änderungen des Koalitionsvertrags für Ihr Unternehmen relevant sind, und beobachten Sie die weitere Gesetzgebung, um rechtzeitig Anpassungen in Arbeitsverträgen und betrieblichen Abläufen vornehmen zu können.

Nils Evermann, Senior Associate, Rechtsanwalt

Befristungsrecht: Erleichterungen für den Einstieg

Des Weiteren wollen die Koalitionspartner vorsehen, dass ein Arbeitsverhältnis während eines Studiums von dem Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgenommen wird, sodass studentische Tätigkeiten nicht als Vorbeschäftigung gelten und damit künftig befristete Arbeitsverhältnisse den Einstieg in das Arbeitsleben ggf. erleichtern.

Bundestariftreuegesetz: Tariftreue als Vergabekriterium

Der bereits vom Bundeskabinett der ehemaligen Bundesregierung beschlossene Entwurf eines Bundestariftreuegesetzes soll in der nächsten Legislaturperiode weiterverfolgt werden. Danach sollen Aufträge des Bundes unter den dort geregelten Voraussetzungen nur noch an solche Unternehmen vergeben werden, die ihren Arbeitnehmern tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren. Dieses Ziel haben die Koalitionspartner der vorangegangenen Koalition in ihrem Gesetzesentwurf eines Bundestariftreuegesetzes ausdrücklich formuliert. Auch hier bleibt abzuwarten, welche Änderungen an diesem Entwurf die kommende Bundesregierung vornehmen wird.

Betriebsverfassungsrecht

Die Koalitionsparteien wollen schließlich die Mitbestimmung vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Digitalisierung weiterentwickeln. Dazu sollen Online-Betriebsratssitzungen sowie Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternativen zu Präsenzsitzungen vorgesehen werden. Ebenso soll es die Möglichkeit geben, künftige Wahlen nach dem Betriebsverfassungsgesetz online durchzuführen. Auch sollen Gewerkschaften einen digitalen Zugang zu den Betrieben erhalten, der ihren bisherigen analogen Rechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz entsprechen soll.

Fazit

Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche arbeitsrechtliche Vorhaben, die Arbeitgeber  im Blick behalten sollten. Viele Details sind noch offen und werden sich erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens konkretisieren. Unternehmen sollten die Entwicklungen daher aufmerksam verfolgen und frühzeitig prüfen, welche Anpassungen erforderlich werden könnten. Wir werden die Entwicklung etwaiger künftiger Umsetzungs- und Gesetzgebungsvorhaben ebenfalls weiter beobachten und Sie natürlich weiter informieren.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

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Nils Evermann

Senior Associate, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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