Auswirkungen des Jahressteuergesetzes 2024 auf gemeinnützige Organisationen

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Am 5. Juni 2024 hat die Bundesregierung den Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 („Regierungsentwurf“) beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Der Regierungsentwurf enthält eine Vielzahl an technischen Regelungen, die vorrangig dem Bürokratieabbau und der Digitalisierung dienen. 

Für gemeinnützige Organisationen sind einige Anpassungen bedeutend: Neben der Einführung der in den Medien ausführlich diskutierten Wohngemeinnützigkeit sind dies die Bildung von Rücklagen und einige Änderungen der Umsatzsteuer.

Einführung der Wohngemeinnützigkeit – Wiederaufleben einer alten Regelung?

Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in Presse und Funk ist die im Jahressteuergesetz vorgesehene Wiedereinführung der sogenannten Wohngemeinnützigkeit. Im Gegensatz zu der 1990 abgeschafften Regelung richten sich die vorgesehenen Neuerungen ausschließlich an gemeinnützige Stiftungen und Vereine sowie an sozial orientierte Unternehmen mit Wohnungsbeständen.

Die Wohngemeinnützigkeit zielt auf die vergünstigte Wohnraumüberlassung an Personen mit niedrigem Einkommen und damit auf die Schaffung von langfristig bezahlbarem Wohnraum ab, in dem die Wohnungen vor allem dauerhaft unter der marktüblichen Miete angeboten werden sollen.  Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit gelten für die Wohngemeinnützigkeit von der gesetzlichen Grundkonzeption der Mildtätigkeit  abweichende Kriterien: Die Schwelle, bis zu der eine Person als hilfebedürftig gilt, wird angehoben, um die Entwicklung steigender Mieten im Vergleich zum Einkommen und die aktuell bestehende Wohnungsnot angemessen abzubilden. Es sollen hierdurch rund 60 % der Haushalte, die von an den Mietpreisentwicklungen am meisten betroffen sind, erreicht werden.

Nachweis der Hilfebedürftigkeit

Die Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit müssen nur zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses nachgewiesen werden. Einer jährlichen oder jedenfalls regelmäßigen Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mieter bedarf es nicht. Ein steigendes Einkommen der Mieter im Laufe der Mietdauer ist unerheblich; sie führt bei der wohnraumüberlassenden Körperschaft nicht zu einem Verlust der Gemeinnützigkeit.

Neuregelung begünstigt dauerhaft vergünstigte Wohnraumüberlassung

Die dauerhaft vergünstigte Wohnraumüberlassung wird auf Ebene der gemeinnützigen überlassenden Körperschaft durch die Neuregelung begünstigt: Die entgeltliche, grundsätzlich vermögensverwaltende Tätigkeit der Wohnraumvermietung wird unmittelbar zur Zweckverwirklichung im ideellen Bereich. Dies hat zur Folge, dass zur Anschaffung oder Herstellung der Immobilien sowie zum Ausgleich von Verlusten zeitnah zu verwendende Mittel aus dem ideellen Bereich, wie bspw. Spenden, herangezogen werden dürfen.

Bildung von Rücklagen

An die Wohngemeinnützigkeit anknüpfend enthält der Regierungsentwurf auch Neuerungen zur Bildung von Rücklagen: Bei umfangreichen und sehr langfristigen Investitionsvorhaben, bspw. im Bau- und Immobilienbereich, werden zukünftig nachträgliche Anpassungen der Planung möglich. Hierzu enthält der Regierungsentwurf den klarstellenden Einschub, dass bei der Einstellung von Mitteln in eine Rücklage auf den „Stand der Planung im Zeitpunkt der Rücklagenbildung“ abzustellen ist. Maßgeblich wird damit die exante Perspektive. Dies ermöglicht gemeinnützigen Körperschaften mehr Rechts- und Planungssicherheit sowie Flexibilität bei langjährigen Bauvorhaben.

Umsetzung und Aktualisierung

Der Regierungsentwurf wird im nächsten Schritt im Bundestag beraten. Das Jahressteuergesetz 2024 soll bis zum Jahresende beschlossen und die Neuerungen zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

In Ergänzung des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen am 10. Juli 2024 den Referentenentwurf des Zweiten Jahressteuergesetzes 2024 („Referentenentwurf“) veröffentlicht. Der in Presse und Funk ausführlich diskutierte Referentenentwurf enthält einige wesentliche Neuerungen für das Gemeinnützigkeitsrecht, die wir Ihnen im Folgenden kurz skizzieren:

Aufhebung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung

Der Referentenentwurf sieht mit Wirkung zum 1. Januar 2025 die Aufhebung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung vor. Nach den derzeit geltenden Grundsätzen sind gemeinnützige Organisationen verpflichtet, ihre Mittel zeitnah, grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt, für ihre steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden. Die zeitnahe Mittelverwendung wird mittels der Mittelverwendungsrechnung nachgewiesen.

Die Aufhebung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung dient ausweislich des Referentenentwurfs dem Bürokratieabbau: Die Abgabe einer Mittelverwendungsrechnung ist zukünftig nicht mehr erforderlich.

Die allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere der Grundsatz der Ausschließlichkeit, bleiben unberührt. So soll sichergestellt werden, dass gemeinnützige Organisationen weiterhin ihre Mittel zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke verwenden, statt sie dauerhaft anzusparen.

Als Folgeanpassung enthält der Referentenentwurf die Aufhebung der Möglichkeiten zur Rücklagenbildung. Wie sich die Aufhebung der Rücklagenbildung zu den im Regierungsentwurf vorgesehenen Neuerungen zur Rücklagenbildung verhalten, ist derzeit noch unklar.

Politisches Engagement gemeinnütziger Körperschaften

Als zweite wesentliche Neuerung enthält der Referentenentwurf eine Gesetzesänderung, die es gemeinnützigen Organisationen ermöglicht, außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung zu beziehen, ohne dadurch ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden. Die gelegentlichen politischen Äußerungen dürfen nur aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und müssen der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein.

Die Neuregelung dient der Förderung des demokratischen Engagements gemeinnütziger Organisationen. Die Unterstützung von Parteipolitik bleibt gemeinnützigen Organisationen weiterhin verwehrt, auch wenn sie nur gelegentlich erfolgt.

Ausblick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren

Das Bundesministerium der Finanzen hat den Referentenentwurf am 10. Juli 2024 zur Stellungnahe an die Verbände versendet. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen der Referentenentwurf erfahren wird.

Unklar ist derzeit auch, wie sich der Referentenentwurf zum Regierungsentwurf verhält. Das Bundesministerium der Finanzen jedenfalls beabsichtigt, den Referentenentwurf am 24. Juli 2024 ebenfalls dem Bundeskabinett vorzulegen.

Mit Sicherheit lässt sich derzeit nur feststellen, dass der Regierungsentwurf wie der Referentenentwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren wohl noch deutliche Änderungen erfahren werden. Gern halten wir Sie hierüber informiert.

 

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