Was bei der Formulierung einer Stellenanzeige zu beachten ist

„Digital Native“ als unmittelbare Altersdiskriminierung

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Erneut zeigt eine gerichtliche Entscheidung, dass bei der Formulierung von Stellenanzeigen Vorsicht geboten ist: Das Arbeitsgericht Heilbronn hat jüngst entschieden, dass die Formulierung „Digital Native“ explizit auf jüngere Bewerbende abzielt und somit ein Indiz für eine Altendiskriminierung darstellt. Es billigte dem abgelehnten Bewerber daher einen Entschädigungsanspruch zu.

Sachverhalt

Der damals über 50 Jahre alte Kläger bewarb sich auf eine Stellenanzeige mit der Formulierung:  

Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“.  

Durch die Absage der Beklagten fühlte sich der Kläger, ein Diplomwirtschaftsjurist, wegen seines Alters diskriminiert und klagte auf eine Entschädigung nach §§ 3, 15 AGG in Höhe von fünf Monatsgehältern. Dabei ging der Kläger von einem üblichen Gehalt von EUR 7.500,00 aus und forderte insgesamt EUR 37.500,00. Das beklagte Unternehmen entgegnete, dass der Kläger überqualifiziert sei und sonst keinerlei thematische Bezüge zu der angebotenen Stelle aufweise. Zudem habe sie mit der Formulierung allgemein Bewerbende ansprechen wollen, die sich in der digitalen Welt auskennen. Die ausgeschriebene Stelle sei außerdem nur mit einem Jahresgehalt von EUR 60.000,00 dotiert gewesen. 

Entscheidung des Gerichts: „Digital Native“ ist klar altersbezogen

Das Arbeitsgericht Heilbronn (Az.: 8 Ca 191/23) sah in der Formulierung ein klares Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters und gab dem Kläger in der Sache Recht.  

Der in der Stellenanzeige verwendete Begriff „Digital Native“ sei klar altersbezogen. Die Formulierung beziehe sich eindeutig auf eine jüngere Generation und schließe somit ältere Bewerbende aus. Die Bezeichnung umfasse Menschen, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen und im Umgang mit digitalen Medien und Technologien geübt sind. Als Gegenbegriff gelte der „Digital Immigrant“, der Personen beschreibt, die altersbedingt den Umgang mit digitalen Technologien erst im Erwachsenenalter erlernen. Die Begriffe seien nach allgemeinem Sprachgebrauch klar generationenbezogen. Eine solche Formulierung in einer Stellenanzeige stelle eine Einengung des Bewerberkreises aufgrund des Alters dar. Das Gericht betonte, dass die Beklagte diese Formulierung hätte weglassen können, sofern sie Bewerbende aller Altersgruppen ansprechen wollte. Sie habe durch ihre Stellenanzeige mit dieser Formulierung gezeigt, dass sie nicht nur nach Bewerbenden suchte, die über gute digitale und technische Fähigkeiten verfügen, sondern nach jemandem, der diese Eigenschaft regelmäßig von Natur aus als „Eingeborener“ mitbringt. 

Der Beklagten gelang es im vorliegenden Fall nicht, die daraus resultierende Diskriminierungsvermutung zu widerlegen. Auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des abgelehnten Bewerbers war nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisbar. 

Dem Kläger wurde daher eine Entschädigung zugesprochen. Allerdings reduzierte das Gericht den Entschädigungsanspruch auf anderthalb Monatsgehälter, d.h. EUR 7.500,00. Es ging dabei von dem geringeren Jahresgehalt der Stelle aus, das die Beklagte vorgetragen und belegt hatte. Im Rahmen seines Ermessens berücksichtigte das Gericht zudem, dass in der Stellenanzeige nur ein einzelner Hinweis auf eine Altersdiskriminierung enthalten war, welcher zudem nicht prominent in der Überschrift sondern mitten im Text platziert war. 

Praxistipps: Stellenanzeigen auf relevante Qualifikationen beschränken und Diskriminierungen vermeiden 

Wer digital kompetente Bewerbende sucht, sollte dies in der Stellenanzeige klar sagen und altersbezogene Einschränkungen vermeiden. Von allzu großer Kreativität bei der Formulierung von Stellenanzeigen ist abzuraten. Um eine (ungewollte) Diskriminierung zu vermeiden, muss eine Stellenausschreibung insbesondere die Diskriminierungsmerkmale des AGG berücksichtigen.

Eine kurze Checkliste könnte wie folgt aussehen und dient als erste Orientierung: 

Geschlechterinklusion

In der Ansprache der Bewerbenden ist eine geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung zu wählen, wie z. B. „Sachbearbeitung“ oder „Teamleitung“. Alternativ können inklusive Zusätze wie „m/w/d“ genutzt werden.  

Alle Altersgruppen ansprechen 

Formulierungen, die eine bestimmte Altersgruppe ansprechen oder ausschließen sind unzulässig. Ansprachen wie „nicht älter als 30“ oder „junges Team“ sind zu vermeiden. Konkrete berufsbezogene Qualifikationsmerkmale wie beispielsweise „mehrjährige Berufserfahrung“ sind hingegen zulässig. 

Gleichbehandlung hinsichtlich ethnischer Herkunft

Es muss sichergestellt werden, dass alle ethnischen Gruppen gleichbehandelt werden. Formulierungen wie „Deutsch als Muttersprache“ sollten daher neutral formuliert werden, wie beispielsweise „sehr gute Deutschkenntnisse“. 

Neutralität gegenüber Religion und Weltanschauung

Diskriminierungen oder Bevorzugung von Bewerbenden aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung sind zu unterlassen. Eine Ausnahme gilt lediglich für religiöse Einrichtungen, für die eine solche Einschränkung rechtlich zulässig wäre.  

Inklusion von Menschen mit Behinderung  

Formulierungen, die auf die körperliche Verfassung von Bewerbenden abzielen, sollten ebenfalls vermieden werden. Angaben wie „körperlich uneingeschränkt leistungsfähig“ sind unzulässig.  

Dokumentation des Auswahlverfahrens 

Die Anforderungen an die zu besetzende Position sollten klar, sachlich und verständlich beschrieben werden. Zudem sollten auch nur Anforderungen benannt werden, die für die Ausübung der zu besetzenden Stelle tatsächlich notwendig sind. Das Auswahlverfahren sollte sorgsam und nachvollziehbar anhand objektiver Kriterien durchgeführt und dokumentiert werden, um im Falle einer Diskriminierungsklage vorbereitet zu sein. 

Datenschutz und weitere notwendige Angaben

Bewerbende sind zudem über die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung ihrer Daten gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu informieren. Es sollten nur relevante Daten erfasst werden und diese sind sicher aufzubewahren. Ferner muss angegeben werden, ob es sich um eine Vollzeit-, Teilzeit-, befristete oder unbefristete Stelle handelt. Informationen zu Gehalt oder Vergütung sind bisher keine Pflichtangaben in der Stellenausschreibung. Ab Juni 2026 wird sich dies allerdings durch die EU-Richtlinie (EU/2023/970) ändern. Arbeitgeber müssen dann das durchschnittliche monatliche Grundgehalt oder die durchschnittliche jährliche Vergütung in Stellenanzeigen veröffentlichen.

Diese Liste kann natürlich nicht abschließend sein. Daher unterstützen wir Sie gern bei der Erstellung Ihrer Stellenausschreibungen, sprechen Sie uns an. 

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