Das Wichtigste auf einen Blick
- Schleswig-Holstein hat die Anforderungen an die Rechnungslegung von rechtsfähigen Stiftungen deutlich verschärft. Nunmehr sind rechtsfähige Stiftungen mit einem Grundstockvermögen von mindestens zwei Millionen Euro verpflichtet, einen testierten Prüfbericht vorzulegen.
- Die weiteren Bundesländer sind dem (bisher) nicht gefolgt.
- Hamburg hält am Stifterprivileg fest.
Mit Inkrafttreten der Landesverordnung am 16. Juli 2024 hat Schleswig-Holstein die Anforderungen an die Rechnungslegung und Prüfung von rechtsfähigen Stiftungen deutlich verschärft. Bereits die Regelungen im Landesstiftungsgesetz Schleswig-Holsteins hierzu sind deutlich strenger als in den anderen Bundesländern. Als einziges Bundesland sieht Schleswig-Holstein für rechtsfähige Stiftungen mit einem Grundstockvermögen von mindestens zwei Millionen Euro zwingend eine Pflicht zur Prüfung der Rechnungslegung vor.
Vor diesem Hintergrund beleuchten wir nachfolgend die in den einzelnen Landesstiftungsgesetzen der norddeutschen Bundesländer enthaltenen Anforderungen an die Rechnungslegung von Stiftungen und deren Prüfung durch die Stiftungsaufsicht und zeigen die wesentlichen Unterschiede auf.
Rechtliche Grundlagen zur Erstellung und Prüfung der Rechnungslegung
Zweck der Rechnungslegung ist es, eine zutreffende, vollständige und klare Übersicht des Vermögens einer Stiftung sowie der satzungsgemäßen Verwendung ihrer Erträge zu geben. Dabei unterliegt die Rechnungslegung der Prüfung durch die Stiftungsbehörden.
Rechtliche Grundlagen der Rechnungslegung und der Prüfpflicht enthalten
- das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
- die Stiftungsgesetze der Bundesländer sowie
- die Stiftungsverordnungen der Bundesländer, soweit solche erlassen wurden.
Im Zuge der Reform des Stiftungsprivatrechts im BGB zum 1. Juli 2023 und der Neufassung der Landesstiftungsgesetze hat auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) am 11. Dezember 2023 eine Stellungnahme zur Rechnungslegung von Stiftungen erlassen.
Was versteht man unter Rechnungslegung?
Rechnungslegung ist die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben einer Stiftung. Sie ermöglicht ein zutreffendes Bild der Vermögens- und Finanzlage einer Stiftung.
Zivilrechtliche Vorgaben im Bürgerlichen Gesetzbuch
Der Vorstand einer Stiftung ist nach den geltenden zivilrechtlichen Vorgaben verpflichtet, der zuständigen Stiftungsbehörde Auskunft über die Vermögenslage der Stiftung zu erteilen und Rechenschaft abzulegen. Sofern sich aus der Stiftungssatzung keine weiterreichenden Anforderungen an die Rechnungslegung ergeben, besteht grundsätzlich eine zweiteilige Rechnungslegungspflicht, bestehend aus:
- einer Jahresrechnung als geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben; sowie
- einer Vermögensübersicht (Vermögensverzeichnis).
Besondere Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen
Auch nach der Reform des Stiftungsrechts enthalten die Landesstiftungsgesetze der Bundesländer über die zivilrechtlichen Anforderungen hinausgehende Rechnungslegungspflichten.
Überwiegend sehen die Stiftungsgesetze der Bundesländer eine dreiteilige Rechnungslegungspflicht vor, bestehend aus
- einer Jahresrechnung
- einer Vermögensübersicht sowie
- einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks.
Die Unterlagen sind bei den zuständigen Stiftungsbehörden innerhalb eines Zeitraums von sechs bis zwölf Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zur Prüfung einzureichen.
Die Intensität der Prüfung der eingereichten Rechnungslegungsunterlagen durch die Stiftungsbehörden unterscheidet sich je nach Bundesland deutlich.
Landesstiftungsgesetz Niedersachsens
Das Landesstiftungsgesetz Niedersachsens vom 1. November 2023 orientiert sich an der dreiteiligen Rechnungslegungspflicht.
Innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ist der Stiftungsaufsicht eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzulegen. Kam die Stiftung dieser Pflicht wiederholt verspätet nach oder wurden die eingereichten Unterlagen beanstandet, kann die Stiftungsaufsicht die Abgabefrist verkürzen.
Anstelle der Jahresrechnung kann der Stiftungsvorstand auch einen testierten Prüfbericht vorlegen, erstellt von einem Wirtschaftsprüfer, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einem vergleichbaren Prüfungsverband. Der testierte Prüfbericht muss sich über die dreiteilige Rechnungslegungspflicht hinaus auch auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung des Stiftungsvermögens erstrecken. Das Ergebnis ist im Abschlussvermerk festzustellen. Die Stiftungsbehörde kann die Vorlage eines Prüfberichts verlangen. Unter welchen Voraussetzungen oder in welchen Fällen die Vorlage verlangt werden kann ist dem Stiftungsgesetz nicht zu entnehmen.
Bei Vorlage eines testierten Prüfberichts soll die Stiftungsbehörde von einer eigenen Prüfung absehen.
Schleswig-Holstein hat die Anforderungen an die Rechnungslegung und Prüfung von rechtsfähigen Stiftungen deutlich verschärft. Es bleibt zu hoffen, dass andere Bundesländer diesem Beispiel nicht folgen werden.
Landesstiftungsgesetz Schleswig-Holsteins
Sehr viel weitreichender und deutlich erhöht sind die Anforderungen an die Erstellung und Prüfung der Rechnungslegung bei Stiftungen, die ihren Sitz im Nachbarland Schleswig-Holstein haben.
Entsprechend dem Landesstiftungsgesetz Schleswig-Holsteins vom 30. Mai 2023 hat der Vorstand nur acht Monate Zeit, nach Schluss des Geschäftsjahres einen Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks verbunden entweder mit einer ordnungsgemäßen Jahresrechnung und einer Vermögensübersicht oder einem testierten Prüfbericht vorzulegen. Rechtsfähige Stiftungen sind bei einem Grundstockvermögen von mindestens zwei Millionen Euro verpflichtet, der Stiftungsbehörde einen durch einen Wirtschaftsprüfer testierten Prüfbericht einzureichen. Ebenso ist ein solcher auf berechtigtes Verlangen der Stiftungsbehörde abzugeben. Ein berechtigtes Verlangen liegt insbesondere bei Anhaltspunkten vor, dass der Stiftungsvorstand seinen Vorlagepflichten nicht nachkommen wird.
Mit der Landesverordnung vom 15. Juli 2024 hat Schleswig-Holstein als erstes und bisher einziges Bundesland die Mindestanforderungen an die Erstellung und Prüfung der Rechnungslegung weiter konkretisiert. Die Landesverordnung ist erstmals für die Jahresrechnungen des Geschäftsjahres 2024 anwendbar.
Mit der Neuregelung werden Stiftungen unabhängig von ihrer Komplexität nur aufgrund der Höhe des Grundstockvermögens prüfungspflichtig. Das Grundstockvermögen wird insbesondere durch Stiftungen, die mit Immobilien oder Aktien als Grundstockvermögen ausgestattet sind, vielfach überschritten, ohne dass eine Stiftung hierzu eine besondere Aktivität entfalten müsste. Ausnahmen von der verpflichtenden Erstellung eines Prüfberichts greifen nur bei finanzieller Unverhältnismäßigkeit der erwarteten Ausgaben für den Prüfbericht zu den Einnahmen und Erträgen der Stiftung. Die Ausnahmeregelung wird von der Stiftungsbehörde nur auf Antrag der Stiftung geprüft.
Die Pflicht zur Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer wird hohe Kosten verursachen und Zeit sowie Ressourcen der Vorstände beanspruchen, die sich um die Auswahl und Zusammenarbeit mit dem Prüfer kümmern müssen.
Landesstiftungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
Deutlich geringer sind die Anforderungen an die Erstellung der Rechnungslegung und die Prüfung durch die Stiftungsaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern.
Innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres hat der Vorstand eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks der Stiftungsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Die Vorlage eines testierten Prüfberichts ist nicht vorgesehen.
Auch die Prüfung der Jahresrechnung durch die Stiftungsbehörde ist weit weniger streng. So kann sich die Prüfung auf Stichproben beschränken, wenn auf Grund vorangegangener Prüfungen eine umfassende Prüfung nicht erforderlich erscheint. Bei Stiftungen, die jährlich im Wesentlichen gleichbleibende Einnahmen und Ausgaben aufweisen, kann die Stiftungsbehörde die Prüfung der Jahresrechnungen auch für mehrere Jahre zusammenfassen oder unter gewissen Voraussetzungen für höchstens drei Jahre von der Prüfung vollständig absehen.
Landesstiftungsgesetz Hamburg
Erhebliche Erleichterungen bestehen auch in Hamburg mit dem Festhalten am sog. Hamburgischen Stifterprivileg. Das Stifterprivileg enthält eine zweifache Vereinfachung:
- die Verpflichtung gegenüber der Stiftungsaufsicht zur Vorlage der Jahresrechnung, der Vermögensübersicht und eines Berichts über die Erfüllung des Stiftungszwecks besteht zu Lebzeiten des Stifters nur, wenn er dies ausdrücklich wünscht;
- der Stifter kann in der Satzung die Vorlagepflicht generell abbedingen
Andernfalls ist die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erstellte Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks innerhalb von sechs Monaten oder ein testierter Prüfbericht innerhalb von neun Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres vorzulegen. Bei Vorlage eines Prüfberichts entfällt die Prüfung durch die Stiftungsaufsicht.
Praxistipp: Bei Stiftungsgründung das Landesrecht berücksichtigen
Mit den Neuregelungen der Landesstiftungsgesetze wird der Rechnungslegung einer Stiftung und deren Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer in der Praxis eine zunehmend größere Bedeutung zukommen, die insbesondere kleine und mittlere Stiftungen zunehmend vor finanzielle Belastungen und organisatorischen und administrativen Aufwand stellen wird. Es bleibt abzuwarten, wie Schleswig-Holstein die neu eingeführten Prüfpflichten umsetzen und Ausnahmen gewähren wird.
Bei Gründung einer Stiftung empfehlen wir Ihnen aufgrund der weitreichenden Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern das jeweilige Landesrecht in Ihre Erwägungen miteinzubeziehen.
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