Umsatzsteuerliche Organschaft

BFH konkretisiert die wirtschaftliche Eingliederung bei Vermietungsleistungen und verneint Organschaft zwischen Schwestergesellschaften

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Der Bundesfinanzhof (BFH) äußert sich mit seinem am 22. September 2022 veröffentlichten Urteil (BFH vom 1. Februar 2022, Az. V R 23/21) konkretisierend zum Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung bei Vermietungsleistungen. Zudem hat er seine bisherige Auffassung zum Über- und Unterordnungsverhältnis bestätigt.

Hintergrund: Umsatzsteuerliche Organschaft kann Belastung mit Umsatzsteuer vermeiden

Das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist insbesondere für Unternehmen vorteilhaft, die aufgrund ihrer steuerfreien Ausgangsumsätze nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Leistungen innerhalb eines Organkreises sind als sogenannte Innenumsätze nicht steuerbar, sodass für solche Leistungen keine Umsatzsteuer entsteht. Um eine Belastung mit Umsatzsteuer zu vermeiden, kann es daher für nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen von Interesse sein, ihre Leistungen innerhalb eines Organkreises zu beziehen.

Definition: Wann liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor?

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, wenn eine juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Auch Personengesellschaften können mittlerweile Organgesellschaften sein. Die finanzielle Eingliederung verlangt nach der aktuellen nationalen Rechtsprechung ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Organträger und Organgesellschaft. Von einer wirtschaftlichen Eingliederung ist auszugehen, wenn die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind, sich fördern und ergänzen.

Der Streitfall: Klägerin ging von wirtschaftlicher Eingliederung aufgrund Vermietungsleistungen aus

Z war als alleiniger Gesellschafter an einer GmbH (Klägerin) sowie als Kommanditist zu 100 % an einer KG beteiligt. Komplementärin der KG war die GmbH, welche nicht am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt war und deren Geschäftsführung und Haftung sie gegen eine entsprechende Vergütung übernommen hatte. Z war als Geschäftsführer für die GmbH tätig und bezog hierfür ein festes Gehalt. Nach Feststellung des BFH erbrachte Z die Geschäftsführungstätigkeit unselbständig und somit nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer. Zusätzlich vermietete Z gemeinsam mit seiner Ehefrau Geschäftsräume mit einer Größe von 123 m² entgeltlich an die KG. Die GmbH ging davon aus, dass sie als Organgesellschaft in das Unternehmen des Z eingegliedert war. Darüber hinaus habe nach ihrer Auffassung auch eine Organschaft zwischen Z und der KG bestanden. Für die Geschäftsführungsvergütung, welche die GmbH von der KG bezogen hatte, vertrat die GmbH die Auffassung, dass es sich hierbei um nichtsteuerbare Innenumsätze im Rahmen einer umsatzsatzsteuerlichen Organschaft handelte.

Urteil des BFH: Vermietung von ohne weiteres austauschbaren Räumlichkeiten für wirtschaftliche Eingliederung nicht ausreichend

In einem ersten Schritt verneint der BFH eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Z als Organträger und der GmbH sowie der KG als Organgesellschaften. Für beide Gesellschaften fehlt es an der wirtschaftlichen Eingliederung in das Unternehmen des Z. Z war in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH nichtselbständig und damit nicht als Unternehmer tätig. Auch aus der Vermietungstätigkeit des Z gegenüber der KG ergibt sich keine wirtschaftliche Eingliederung. Die vermieteten Räumlichkeiten waren nicht eigens für die Unternehmenstätigkeit der KG in besonderer Weise ausgestattet und daher nach Ansicht des BFH ohne weiteres austauschbar. Daher kommt der Vermietung lediglich eine geringe Bedeutung zu, aus der sich eine wirtschaftliche Eingliederung nicht ergibt.

In einem zweiten Schritt verneinte der BFH eine Organschaft zwischen der GmbH und der KG als Schwestergesellschaften. Er bezieht sich hierbei auf ein Urteil des elften Senats aus dem Jahr 2010, wonach es für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht ausreicht, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist (Urteil vom 1. Dezember 2010, Az. XI R 43/08). Auch aus Art. 11 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sei eine organschaftliche Verbindung zwischen zwei Schwestergesellschaften nicht ableitbar.

Fazit: Vermietungsleistungen führen nicht immer zu einer wirtschaftlichen Eingliederung

Das BFH-Urteil ist aus zwei Aspekten interessant. Zum einen konkretisiert der BFH seine bisherige Rechtsprechung in Bezug auf die wirtschaftliche Eingliederung bei Vermietungsleistungen. In diesem Zusammenhang hat der BFH in der Vergangenheit entschieden, dass bei der Vermietung eines Betriebsgrundstücks mit einer Größe von 2.982 m² oder einer Halle mit 967 m² plus Bürotrakt mehr als nur unerhebliche Beziehungen zwischen den Unternehmensbereichen bestehen und bejahte eine wirtschaftliche Eingliederung. Ist eine vermietete Räumlichkeit jedoch bspw. aufgrund fehlender besonderer Ausstattung austauschbar, kann eine wirtschaftliche Eingliederung gemäß dem aktuellen Urteil nicht angenommen werden. Mit der zweiten Aussage, dass eine Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften ohne finanzielle Eingliederung in das Unternehmen ihres Gesellschafters nicht möglich ist, bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung. In einem aktuell beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren hat der BFH (elfter Senat) jedoch selbst die Frage gestellt, ob das Über- und Unterordnungsverhältnis mit den unionsrechtlichen Vorgaben zur Organschaft in Einklang steht (Az. XI R 16/18). Vor diesem Hintergrund bleibt es daher spannend, ob die Rechtsauffassung des BFH auch zukünftig Bestand haben wird.

 

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