Vermietung einer Immobilie ohne eigenes Personal begründet keine feste Niederlassung

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Mit Urteil vom 3. Juni 2021 (Rs. C-931/19 – Titanium) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass eine vermietete Immobilie keine feste Niederlassung begründet, wenn der Eigentümer der Immobilie über kein eigenes Personal für die Erbringung der Vermietungsleistung verfügt.

Grundlage für dieses Urteil ist ein Vorabentscheidungsersuchen vom österreichischen Bundesfinanzgericht bezüglich der Auslegung des in Art. 11 MwStVO definierten Begriffs der festen Niederlassung für die Anwendung der Art. 44 und 45 MwStSystRL. Per Definition setzt eine feste Niederlassung voraus, dass diese einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu empfangen oder zu erbringen.

Sachverhalt

Titanium, eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung auf Jersey, vermietete eine ihr gehörende Immobilie in Wien an zwei österreichische Unternehmer. In diesem Zusammenhang beauftragte sie ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen mit der Vermittlung von Dienstleistern und Lieferanten, mit der Abrechnung der Mieten und Betriebskosten sowie mit der Vornahme von Geschäftsaufzeichnungen. Darüber hinaus war die Hausverwaltung mit der Vorbereitung der Umsatzsteuer-Meldedaten beauftragt.

Die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen sowie über deren wirtschaftliche und rechtliche Konditionen, über die Durchführung von Investitionen und Reparaturmaßnahmen sowie deren Finanzierung, über die Auswahl von Dritten zur Erbringung anderer Vorleistungen und schließlich die Auswahl, Beauftragung und Überwachung der Hausverwaltung selbst verblieb bei der Titanium.

Die Titanium vertrat die Ansicht, dass die Immobilie keine feste Niederlassung in Österreich begründe und für die Umsätze aus der Vermietung in Österreich keine Umsatzsteuer schulde. Das Finanzamt vertrat hingegen die Rechtsauffassung, dass es sich bei der Immobilie um eine feste Niederlassung handele und setzte österreichische Umsatzsteuer fest. Gegen die Bescheide legte die Titanium Beschwerde beim Bundesfinanzgericht Österreich ein. Das Bundesfinanzgericht legte dem EuGH in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Frage vor, ob für die Begründung einer festen Niederlassung stets das Vorliegen einer personellen und technischen Ausstattung gegeben sein muss und daher an der Niederlassung unbedingt eigenes Personal des Dienstleistungserbringers vorhanden zu sein hat.

Tenor und Begründung des EuGH

Der EuGH entschied vorliegend, dass eine vermietete Immobilie keine feste Niederlassung begründet, „wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt." Hieraus ergibt sich, dass eine feste Niederlassung stets den Einsatz von eigenem Personal voraussetzt. Der Einsatz von fremdem Personal hingegen stellt keine personelle Ausstattung dar, die den Unternehmer zum autonomen Handeln befähigt. Für das Vorliegen einer festen Niederlassung müssen danach sowohl eigene technische Mittel als auch eigene personelle Mittel vorhanden sein.

Auswirkungen für die Praxis

Der EuGH widerspricht mit seinem Urteil der deutschen Rechtsprechung einiger Finanzgerichte. U. a. hatte das FG Münster das Vorliegen einer festen Niederlassung durch den Betrieb von Windkrafträdern auch ohne den Einsatz von eigenem Personal bejaht (Urteil vom 5. September 2013, Az. 5 K 1768/10 U). Das FG Köln sowie das FG Schleswig-Holstein schlossen sich dieser Rechtsprechung im Bereich von Windkrafträdern an (FG Köln vom 14. März 2017 – Az. 2 K 920/14 sowie FG Schleswig-Holstein vom 17. Mai 2018 – Az. 4 K 47/17). Der BFH hatte sich ebenfalls für das Vorliegen einer festen Niederlassung ohne den Einsatz von eigenem Personal ausgesprochen. In seinem Urteil vom 15. Februar 2017 (Az. XI R 21/15) vertrat der BFH die Auffassung, dass der Einsatz von Fremdpersonal eine ausreichende personelle Ausstattung darstellt. Die deutsche Rechtsprechung dürfte insoweit durch das jüngst ergangene EuGH-Urteil obsolet geworden sein. Mit dem Urteil erteilt der EuGH zudem der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, wonach Unternehmer, die ein in Deutschland gelegenes Grundstück steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln sind (Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE), eine Absage. Eine Reaktion der Finanzverwaltung liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

Derzeit ist ein weiteres Verfahren zur Definition der festen Niederlassung vor dem EuGH anhängig. In einem Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti (Rumänien), Rs. C-333/20 Berlin Chemie A. Menarini SRL, eingereicht am 22. Juli 2020, wird dem EuGH erneut die Frage vorgelegt, ob es sich für die Begründung einer festen Niederlassung um eigene personelle und technische Mittel handeln muss.

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