Und ewig droht der Erschließungsbeitrag

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Werden Erschließungsbeiträge festgesetzt, ist das für die betroffenen Grundstückseigentümer lästig genug. Erfolgt die Festsetzung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Grundstückseigentümer damit gar nicht mehr gerechnet haben, ist es besonders unangenehm. Überraschungen dieser Art kommen jedoch nicht selten vor. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat nun in einer aktuellen Entscheidung festgestellt, dass solche Überraschungen aber nicht auf unbestimmte Zeit möglich sein dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip beinhalte das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (BVerfG, Beschluss vom 3. November 2021, Az. 1 BvL 1/10). Es schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Es verlange, dass Betroffene nicht dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob sie noch mit Belastungen rechnen müssen.

Hintergrund der Entscheidung des BVerfG

Die Entscheidung des BVerfG betraf einen Grundstückseigentümer in Rheinland-Pfalz, der im Jahr 2011 einen Erschließungsbeitragsbescheid über € 70.000 für die Herstellung einer Straße im Jahr 1986 erhalten hatte. Nach dem Kommunalabgabengesetz war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Das BVerfG erklärte die zugrunde liegende Regelung des Kommunalabgabengesetzes für verfassungswidrig und verpflichtete den Landesgesetzgeber mit Fristsetzung, eine verfassungsmäßige Regelung zu treffen.

Der Sachverhalt und die gesetzliche Regelung in Rheinland-Pfalz wiesen einige Besonderheiten auf. Die zugrunde liegende Problematik betrifft aber in ähnlicher Weise auch das Recht der Erschließungsbeiträge in anderen Bundesländern.

Erhebung von Erschließungsbeiträgen

Die Erschließung von Grundstücken ist grundsätzlich eine gesetzliche Aufgabe der Gemeinden. Sie sollen die Erschließungsanlagen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig herstellen, so dass diese spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sind. Zur Deckung ihres Erschließungsaufwandes (abzüglich eines Eigenanteils von 10%) erheben die Gemeinden Erschließungsbeiträge bei den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke. Diese Grundsätze sind in §§ 123 ff. BauGB geregelt und gelten daher bundeseinheitlich.

Lange Verjährung

Ebenfalls einheitlich in allen Bundesländern gilt die Festsetzungsverjährung in entsprechender Anwendung der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 Abgabenordnung. Danach können die Gemeinden Erschließungsbeiträge nicht mehr geltend machen, wenn vier Jahre seit Ende des Kalenderjahres verstrichen sind, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. Diese Festsetzungsverjährung beträgt also je nach dem konkreten Sachverhalt zwischen vier und fünf Jahren. Die zeitliche Unwägbarkeit entsteht dadurch, dass die Entstehung der Beitragsforderung lange auf sich warten lassen kann mit der Folge, dass vorher die Festsetzungsverjährung nicht zu laufen beginnt. Erschließungsbeiträge entstehen nämlich nicht schon dann, wenn die Erschließungsstraße von der Gemeinde hergestellt ist und auch für den Verkehr genutzt wird. Diese Situation wird auch als Vorteilslage bezeichnet. Vielmehr kommt es für die Entstehung der Beitragsforderung über die Vorteilslage hinaus auf verschiedene andere Voraussetzungen an. Unter anderem ist es erforderlich, dass eine Straße gewidmet, also förmlich für den öffentlichen Verkehr festgelegt ist. Eine Widmung, die man im Amtsblatt lesen, aber in der Wirklichkeit nicht wahrnehmen kann, folgt häufig erst lange nach der Herstellung einer Straße. Auch wenn auf der Straße längst Verkehr stattfindet, beginnt mangels Widmung noch nicht die Festsetzungsverjährung. Der Grundstückseigentümer kann daher nicht absehen, wann er noch zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden kann.

Die meisten Bundesländer sehen deshalb in ihren Kommunalabgabengesetzen absolute zeitliche Höchstfristen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vor. Diese Höchstfristen knüpfen an die Vorteilslage an und greifen auch dann, wenn die Festsetzungsverjährung noch gar nicht begonnen hat. Damit wird aus der Sicht der Rechtsprechung das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gewahrt. Allerdings betragen diese Höchstfristen meist 20 oder sogar 30 Jahre. Was damit als rechtlich klar und vorhersehbar betrachtet wird, mag für manchen Grundstückseigentümer dann doch eine unangenehme Überraschung bleiben.

Empfehlungen für den Grundstückserwerb

Vor diesem Hintergrund sollte bei dem Erwerb eines Grundstückes stets daran gedacht werden, eine Auskunft der zuständigen Behörde darüber einzuholen, ob noch Erschließungsbeiträge für den aktuell vorhandenen Bestand der Erschließungsanlagen erhoben werden können. Der umsichtige Verkäufer besorgt diese Auskunft schon bei der Vorbereitung des Verkaufs. In der Regel werden die Auskünfte zügig erteilt. Unabhängig von einer Auskunft ist es erforderlich, im Grundstückskaufvertrag zu regeln, ob der Verkäufer oder der Käufer Erschließungsbeiträge übernehmen soll, die künftig für bereits aktuell vorhandene Straßen erhoben werden könnten. Auch sollte sich der Käufer vergewissern, dass die von der Gemeinde bei dem Verkäufer geltend gemachten Erschließungsbeiträge auch tatsächlich bezahlt sind. Denn für die Erschließungsbeiträge haftet immer auch das Grundstück. Sie ruhen gemäß § 134 Abs. 2 Baugesetzbuch als öffentliche Last auf dem Grundstück. Damit haben sie die Qualität eines Grundpfandrechtes, ohne jedoch im Grundbuch eingetragen zu sein.

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