Umsatzsteuerfreiheit für Verpachtung eines Putenstalls samt Heizung, Lüftung und einer Förderanlage zur Fütterung?

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Im Rahmen der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften landen bei den Finanzgerichten immer wieder Sachverhalte, bei denen man sich fragt, ob es darüber bei der Vielzahl der Urteile zum Steuerrecht nicht schon eine Entscheidung für diese Konstellation gegeben hat. Das ist aber in einem jetzt veröffentlichen Streitfall offensichtlich nicht der Fall gewesen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) musste kürzlich darüber entscheiden, ob im Rahmen der Vermietung und Verpachtung eines Putenstalls die im Stall vorhandenen Einrichtungen und Maschinen umsatzsteuerfrei überlassen werden können oder ob sie mit einem geschätzten Anteil an der Pacht umsatzsteuerpflichtig sind. Bei den Einrichtungen handelte es sich um eine Industrieförderspirale zur automatischen Fütterung der Puten und eine Heizungs- und Lüftungsanlage zur Sicherung des erforderlichen Stallklimas. Da es sich hier um die Auslegung der Mehrwertsteuer-System-Richtlinie handelte und damit um EU-Recht, legte der BFH den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor (Az. des BFH: V R 22/20). Dieses Gericht muss jetzt entscheiden, ob die Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei ist oder ob die Ausnahme von der Steuerfreiheit einschlägig ist, nach der „Maschinen und Vorrichtungen aller Art" nicht befreit sind. Das Finanzamt hatte einen Anteil von 20 % der Pacht als nicht steuerfrei angesehen, das Niedersächsische Finanzgericht sah die Pacht insgesamt als steuerfrei an (Az. 11 K 24/19).

Die Entscheidung über die strittige Frage hängt nach Ansicht des BFH davon ab, ob eine Steuerpflicht für die anteilig auf die Einrichtungen entfallende Pacht nur besteht, wenn diese Einrichtungen getrennt von dem Gebäude vermietet werden oder ob bei einer gemeinsamen Vermietung und Verpachtung mit dem Gebäude eine einheitliche steuerfreie Leistung vorliegt. Der BFH geht davon aus, dass in den Fällen, in denen die Verpachtung des Gebäudes mit den Apparaturen eine einheitliche zusammenhängende Leistung darstellt – wie im Fall des Putenstalls mit dazugehörigen Einrichtungen – die gesamte Leistung steuerfrei ist. Diese Auffassung vertritt das Gericht unter Verweis auf eine Entscheidung des EuGH vom 13. Juli 1989 (Az. C - 173/88 – Henriksen). Seinerzeit war strittig, ob die Vermietung von PKW-Stellplätzen in einer Tiefgarage zusammen mit einer Wohnung unter die Steuerfreiheit fällt. Dies hatte der EuGH in seinem Urteil bejaht.

Die zu erwartende EuGH-Entscheidung hat auch Bedeutung für die Verpachtung von landwirtschaftlichen Gebäuden aller Art, sei es für die Tierhaltung, sei es für den Ackerbau und Obstanbau. Darüber hinaus wirkt das Urteil sich aus auf die Verpachtung von Betriebsgebäuden mit fest eingebauten Betriebsvorrichtungen, auf die Vermietung von Bürogebäuden inkl. Kommunikationseinrichtungen und – nicht zu vergessen – auch auf die Vermietung von Fußballstadien mit zusätzlichen Einrichtungen. Hierfür liegt bereits ein Urteil des EuGH zum Stadion in Amsterdam vom 18. Januar 2018 vor (Az. C - 463/16), in dem trotz unterschiedlicher Verträge für das Stadion und bestimmte Einrichtungen insgesamt eine einheitliche Leistung angenommen wurde.

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