Anscheinsbeweis einer privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw

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Oft wird diskutiert, ob eine Privatnutzung eines Pkw im Betriebsvermögen generell angenommen werden kann und welche Kriterien diese widerlegen.

Privatnutzung eines betrieblichen Pkw

Eine etwaige Privatnutzung eines betrieblichen Pkw ist grundsätzlich nach der sog. 1-Prozent-Regelung zu versteuern, wenn kein Fahrtenbuch geführt wurde. Die Finanzverwaltung kann sich dabei unter anderem auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 13. Dezember 2011 (Az. VIII B 82/11) berufen, wonach der "Beweis des ersten Anscheins" auch für eine Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs spreche. Wann ein „erster Anschein" vorliegt bzw. wie dieser erschüttert werden kann, ist oft Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Finanzamt und Steuerzahler. In einem aktuellen Fall hatte das Finanzgericht (FG) Münster entscheiden müssen, ob die Kriterien zur Annahme des Anscheinsbeweises einer privaten Nutzung eines betrieblichen Pkws erfüllt waren und hat dabei zu Gunsten des Steuerzahlers entschieden.

Aktueller Fall vor dem Finanzgericht Münster

Im vorliegenden Fall unterhielt der Steuerpflichtige (Ehemann) einen Gartenbaubetrieb mit mehreren Arbeitnehmern, war aber hauptberuflich anderweitig als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Ehefrau arbeitete im Betrieb des Ehemannes. Die Eheleute haben zwei volljährige Kinder und hatten im Privatvermögen insgesamt drei Pkw, die in erster Linie von den Kindern genutzt wurden. Im Gartenbaubetrieb wurde neben einem BMW X3 ein Ford Ranger genutzt, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Für den BMW versteuerte der Ehemann die Privatnutzung nach der 1-Prozent-Regelung, während er für den Ford Ranger keinen Privatnutzungsanteil ansetzte. Das Finanzamt wandte demgegenüber auch für den Ford Ranger die 1-Prozent-Regelung an, da der Anscheinsbeweis auch für eine private Nutzung dieses Pkw sprechen würde. Das Finanzamt begründete dies insbesondere damit, dass die privaten Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert nicht mit dem Ford Ranger vergleichbar seien und nicht allen Familienmitgliedern jederzeit ein privates Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung gestanden habe. Insoweit sei auch von einer Privatnutzung des Ford Ranger auszugehen.

Hiergegen klagten die Eheleute vor dem FG Münster. Zur Begründung machten sie insbesondere geltend, dass der Ford Ranger den Mitarbeitern des Betriebs arbeitstäglich permanent als Zugmaschine für den Gartenbetrieb zur Verfügung stehen müsse. Aufgrund eines erheblichen Verschmutzungszustands des Wagens wäre es außerdem lebensfremd anzunehmen, dass dieses Fahrzeug - insbesondere an Wochenenden - auch für private Fahrten genutzt werden würde. Gegen eine Privatnutzung würde auch die geringe jährliche Fahrleistung von durchschnittlich 8.900 km sprechen.

Die Klage der Eheleute hatte Erfolg

Mit Urteil (Az. 6K 2688/19 E) vom 16. August 2022 sah es das FG Münster nicht als erwiesen an, dass der Ford Ranger in den Streitjahren tatsächlich auch privat genutzt wurde. Nach dem Beweis des ersten Anscheins spreche die allgemeine Lebenserfahrung zwar dafür, dass betriebliche Fahrzeuge auch zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen und damit auch tatsächlich privat genutzt würden. Dieser Anscheinsbeweis sei im Streitfall allerdings von den Eheleuten - auch ohne Fahrtenbuch - widerlegt worden. Zwar handelt es sich bei dem Ford Ranger um ein Fahrzeug, das sich typischerweise auch für eine Privatnutzung eignet. Jedoch wurde hinreichend dargelegt, dass dieses Fahrzeug ausschließlich - insbesondere aufgrund seiner Zugkraft - im Gartenbaubetrieb eingesetzt wurde. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann seinen Gartenbaubetrieb nur als Nebentätigkeit ausgeübt hat und den Ford Ranger damit arbeitstäglich nicht selbst genutzt haben konnte. Seine Arbeitsstelle selbst war nur 1,5 km entfernt und wurde von ihm - glaubhaft - mit dem Fahrrad zurückgelegt. Hierdurch wurde die Möglichkeit einer Privatnutzung des Ford Ranger weiter erheblich eingeschränkt.

Praxishinweis

Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision beim BFH eingelegt (Az. III-R-34/22). Der Ausgang des Verfahrens bleibt mit Spannung abzuwarten. In vergleichbaren Fällen sollten Steuerpflichtige daher Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH beantragen.

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