Neues Regelungsregime für „digitale Produkte“ und „Waren mit digitalen Elementen“ in Kraft getreten

Anpassungsbedarf für Verträge und AGB

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In unserem Beitrag im November 2021 hatten wir bereits eine Reihe von Neuerungen im Kaufrecht sowie für Verbraucherverträge allgemein vorgestellt, die zeitlich gestaffelt ab 1. Januar 2022 in Kraft getreten sind bzw. noch in Kraft treten werden. Vorerst nur hingewiesen hatten wir auf weitere Neuerungen in Bezug auf Verträge über sog. digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen. Diese sind nun am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Die Neuregelungen führen zu Anpassungsbedarf bei Verträgen sowohl mit Verbrauchern als auch mit Unternehmern. Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die neuen Regelungen, welche der rasant wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Softwareanwendungen und Geräten mit Softwareanwendungen einen Rahmen geben sollen.

Hintergrund

Hintergrund der Neuregelungen, für die u.a. ein eigener Abschnitt ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt wurde (§§ 327 ff.), ist die Umsetzung der Digitale Inhalte-Richtlinie der EU (Richtlinie EU 2019/770) in nationales Recht. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen kannte das BGB keine Sonderregelungen für Verträge bezüglich „digitaler" Produkte; diese unterfielen den allgemeinen Bestimmungen. Nunmehr wurden spezielle Regelungen für Verträge mit Verbrauchern (B2C) geschaffen, die solche digitalen Produkte zum Gegenstand haben; dies ist nicht begrenzt auf Kaufverträge. Die Regelungen für Verbraucherverträge werden flankiert durch Sonderregelungen für Verträge zwischen Unternehmern (B2B), die der Bereitstellung digitaler Produkte gegenüber Verbrauchern dienen. Die Neuregelungen haben deshalb in der gesamten Vertriebskette digitaler Produkte Bedeutung.

Verträge über digitale Produkte

1. Verbraucherverträge

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen Verträgen über sog. digitale Produkte und Verträgen über Waren mit digitalen Elementen. Der neu eingefügte Abschnitt im BGB gilt nur für Verträge über digitale Produkte, zu denen nach der gesetzlichen Definition „digitale Inhalte" oder „digitale Dienstleistungen" gehören. Erfasst sind damit einerseits z.B. jegliche Software, andererseits insbesondere die Bereitstellung von Musik oder Videostreams sowie etwa Cloud-Services oder soziale Netzwerke. Ob das Angebot kostenpflichtig ist oder nicht, macht keinen Unterschied. Ausdrücklich erfasst sind auch die Fälle, in denen der Verbraucher – quasi als Gegenleistung – seine personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt. Aufgrund zahlreicher Ausnahme- und Erweiterungsvorschriften muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Sonderregelungen Anwendung finden.

Sofern die Sondervorschriften anwendbar sind, ist nun im Einzelnen geregelt, wann der Unternehmer das digitale Produkt bereitzustellen hat und welche Rechte der Verbraucher hat, wenn diese Bereitstellung nicht (rechtzeitig) erfolgt. Neu sind auch die Regelungen zu Mängeln des digitalen Produkts. Bei Mängeln können dem Verbraucher Ansprüche auf Nacherfüllung (also „Reparatur" bzw. erneute Bereitstellung eines mangelfreien Produkts), Vertragsbeendigung, Preisminderung und Schadensersatz zustehen. Mangelhaft kann ein digitales Produkt auch dann sein, wenn Anforderungen nicht erfüllt werden, die der Verbraucher aufgrund Werbung o.ä. erwarten durfte. Dabei kommt es nicht nur auf die Werbung des Verkäufers an, sondern es kann auch jene von anderen Gliedern der Vertriebskette, insbesondere des Herstellers, relevant sein.

Bedeutsam ist außerdem die neu eingeführte Verpflichtung des Unternehmers, während des vom Verbraucher vernünftigerweise erwarteten Zeitraums Aktualisierungen bereitzustellen. Geschieht dies nicht, hat der Verbraucher die soeben genannten Rechte wegen Produktmängeln.

2. Verträge zwischen Unternehmern

Damit der letzte Unternehmer die Ansprüche, die der Verbraucher gegen ihn geltend macht, ggf. in der Vertriebskette weitergeben kann, sieht das Gesetz einen entsprechenden Rückgriffanspruch vor. Da die Vorschriften zugunsten des Verbrauchers zwingend sind, hat der letzte Unternehmer keine Möglichkeit, seine Inanspruchnahme insofern durch Vertragsgestaltung abzuwenden. Umso wichtiger ist es für ihn, seine Ansprüche gegenüber seinen „Lieferanten" zu sichern. Es sollte deshalb innerhalb der Vertriebskette besonderes Augenmerk auf die Vertragsgestaltung gelegt werden.

Verträge über Waren mit digitalen Elementen

Von Verträgen über digitale Produkte zu unterscheiden sind Verträge über sog. Waren mit digitalen Elementen. Diese betreffen Waren, die ihre Funktionen ohne digitale Produkte nicht erfüllen können, also z.B. Smartphones, Laptops, Mäh- oder Saugroboter. Auch moderne Autos können hierzu gehören.

Diese Waren unterfallen nicht den oben dargestellten Neuregelungen für digitale Produkte. Auch für sie gibt es aber seit Beginn des Jahres neue Regelungen, die insbesondere auch eine entsprechende Pflicht zur Bereitstellung und Aktualisierung der Software vorsehen. Ohne ausdrückliche Regelung besteht die Aktualisierungspflicht für den vom Verbraucher vernünftigerweise zu erwartenden „Life-Cycle" der Ware, beispielsweise die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Laptops. Hier wurden die Bestimmungen zur Mängelhaftung entsprechend angepasst, so dass diese denen für digitale Produkte ähneln. Auch diesbezüglich kommt ein Regress gegenüber Vorlieferanten in Betracht.

Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche haben immer mehr Unternehmen Produkte bzw. Angebote in ihrem Portfolio, die den dargestellten Neuregelungen unterfallen. Jedes betroffene Unternehmen sollte seine standardmäßig verwendeten Verträge und AGB prüfen, ob sich aus den gesetzlichen Neuregelungen Anpassungsbedarf ergibt. Wir sind dabei gern behilflich.

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