Keine Erbschaftsteuerpause für Übertragung von Privatvermögen im Jahr 2016

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. Mai 2021 (Az. II R 1/19) klargestellt, dass es keine Erbschaftsteuerpause aufgrund der gesetzlichen Änderung des Erbschaftsteuergesetzes im Jahr 2016 für die Übertragung und Besteuerung von Privatvermögen gab. Diese Frage bestand, weil das geänderte Erbschaftsteuergesetz 2016 zwar erst am 9. November 2016 verabschiedet wurde, jedoch schon rückwirkend zum 1. Juli 2016 für die Erbschaftsteuer in Kraft getreten ist. Der BFH bestätigte die Auffassung des FG Köln und damit auch die der Finanzverwaltung.

Hintergrund

Mit seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Teile des Erbschaftsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen (Az. 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50). Dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber jedoch erst am 9. November 2016 nachgekommen, wobei dieses Gesetz mit Wirkung zum 1. Juli 2016 verkündet wurde, d.h. rückwirkend zur Anwendung kam.

Entscheidung des BFH v. 6. Juni 2021 (Az. II R 1/19)

Nach Auffassung des BFH sind die Regelungen des ErbStG i.d.F. 2009 betreffend den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz über den 30. Juni 2016 hinaus weiter anwendbar. Dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Neuregelung nicht rechtzeitig nachgekommen ist, hat keine Auswirkung. Für das Privatvermögen gilt dies schon deshalb, weil die Entscheidung des BVerfG ausschließlich Regelungen betraf, welche für Übertragungen von Betriebsvermögen galten. Zudem hat das BVerfG entschieden, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar bleibt. Dies gilt im vorliegenden Fall auch dann, wenn der Gesetzgeber die ihm gesetzte Frist verstreichen lässt.

Auswirkung der Entscheidung

Mit dem Urteil zeigt der BFH auf, dass die Regelungen des ErbStG a.F. hinsichtlich des Erwerbs von Privatvermögen und des Steuersatzes über den 30. Juni 2016 hinaus weiterhin anwendbar sind. Denn das Urteil des BVerfG bezog sich ausschließlich auf die Steuerbefreiung nach den §§ 13a, 13b ErbStG für betriebliches Vermögen, lediglich diese seien in der bis dahin geltenden Fassung verfassungswidrig. Die Revision musste der BFH daher zurückweisen, weil im Streitfall ausschließlich Privatvermögen übertragen wurde. Diese Rechtsfolge gilt also unabhängig von der Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung, weil das BVerfG eine unbefristete Fortgeltung des Erbschaftsteuergesetzes angeordnet hat.

Darüber hinaus sind die Aussagen des BFH zur Wirkung des Erbschaftsteuergesetzes im Zusammenspiel mit dem Urteil des BVerfG interessant. Hierzu hat der BFH wie folgt entschieden: Wenn das BVerfG urteilt, dass ein Gesetz zwar verfassungswidrig ist, aber weiter bis zu einem festgelegten Zeitpunkt angewendet werden kann (sog. Fortgeltungsanordnung), dann hat eine Terminüberschreitung durch den Gesetzgeber keine Auswirkung. Das Gesetz bleibt bis zu einer tatsächlichen Neuregelung in Kraft. Denn im vorliegenden Fall hat das BVerfG keine explizite Anwendungssperre festgelegt. Das (verfassungswidrige) Erbschaftsteuergesetz konnte daher ungeachtet davon zur Anwendung kommen, dass der Gesetzgeber die ihm gesetzte Frist (vorliegend den 1. Juli 2016) zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Gesetzes verstreichen ließ. Ob und inwieweit eine Besteuerungssperre für die Übertragung von Betriebsvermögen in Betracht kam, musste der BFH nicht entscheiden.

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