Grunderwerbsteuer: Festlegung des herrschenden Unternehmens bei mehrstufigen Beteiligungen

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28. September 2022 (Az. II R 13/20) zu der Frage entschieden, welches Unternehmen das „herrschende Unternehmen" und welche Gesellschaft „abhängige Gesellschaft" i. S. d. § 6a GrEStG bei mehrstufiger Beteiligung ist. Dies richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

Steuerfreie Übertragung von Grundbesitz innerhalb eines Konzerns möglich

Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel in § 6a GrEStG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerfreie Übertragung von Grundbesitz. Gerade bei Kapitalgesellschaftskonzernen ist die Konzernklausel wesentlich, da die Befreiungsvorschriften der §§ 5, 6 GrEStG hier nicht zur Anwendung kommen und die Grunderwerbsteuer bei einem Steuersatz von derzeit bis zu 6,5% (abhängig vom Bundesland) eine erhebliche Belastung darstellen kann. Vergleichbar dem Umwandlungssteuergesetz im Ertragsteuerrecht soll § 6a GrEStG betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht durch eine Grunderwerbsteuerlast behindern.

Die Finanzverwaltung war in der Vergangenheit sehr restriktiv in der Anwendbarkeit von § 6a GrEStG. Sie hatte, ohne gesetzliche Grundlage, hohe Hürden für die Anwendung von § 6a GrEStG errichtet. Der BFH und mehrere Finanzgerichte haben sich dieser Sichtweise – erfreulicherweise – nicht angeschlossen und in den Verfahren zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden (insbesondere der BFH in seinen Urteilen vom 21. und 22. August 2019).

Im Urteilsfall vom 28. September 2022 ging es nun bei mehrstufigen Beteiligungen um die Frage, welches Unternehmen das „herrschende Unternehmen" und welche Gesellschaft die „abhängige Gesellschaft" ist. Die Beantwortung dieser Frage ist aus zwei Gründen besonders wichtig: Zum einen ist die Beteiligung von herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft an dem Umwandlungs- oder Einbringungsvorgang eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 6a GrEStG. Zum anderen müssen die Vor- und Nachbehaltensfristen von diesen Gesellschaften – sofern rechtlich möglich – eingehalten werden.

Dem BFH Urteil lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die F-AG war an der E-GmbH beteiligt, diese wiederum an der D-GmbH beteiligt, die eine grundbesitzende Tochtergesellschaft, die B-GmbH, hatte. Alle Beteiligungen bestanden seit mehr als fünf Jahren und betrugen jeweils 100%. Die B-GmbH wurde auf die D-GmbH verschmolzen. Die F-AG veräußerte zwei Jahre später 26% ihrer Anteile an der E-GmbH an einen Dritten. Die Finanzverwaltung sah bei der Verschmelzung § 6a GrEStG als erfüllt an. Allerdings versagte sie die Steuerbefreiung rückwirkend nach der Veräußerung der Anteile an der E-GmbH durch die F-AG. Nach Auffassung des Finanzamts wurde dadurch die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG verletzt. Sowohl das Finanzgericht (FG) Düsseldorf als auch der BFH gaben der Klägerin, der D-GmbH, Recht und sahen die Nachbehaltensfrist nicht als verletzt an. Anders als vom Finanzamt angenommen, sei nicht die F-AG das herrschende Unternehmen, sondern die D-GmbH. Da die abhängige Gesellschaft, die B-GmbH, durch die Verschmelzung untergegangen ist, existiert eine Nachbehaltensfrist i.S.d. § 6a GrEStG aus rechtlichen Gründen gerade nicht. Die Veräußerung der Anteile an der E-GmbH war somit unschädlich.

Herrschendes Unternehmen bei mehrstufigen Beteiligungen

Der BFH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass das herrschende Unternehmen i. S. d. § 6a Satz 3 GrEStG immer im Hinblick auf den zu prüfenden Umwandlungsvorgang zu definieren ist und es daher bei mehreren Umwandlungsvorgängen auch mehrere herrschende Unternehmen geben kann. Die Finanzverwaltung hatte bis zu diesem Urteil die Auffassung vertreten, dass bei mehrstufigen Beteiligungen bezüglich der Festlegung des herrschenden Unternehmens immer auf das oberste Glied in der Kette – die Konzernspitze – abzustellen sei und es deshalb nur ein herrschendes Unternehmen geben könne. Dieser Auffassung hat der BFH eine Absage erteilt. In der Praxis ist daher für jeden Rechtsvorgang einzeln festzustellen, welches Unternehmen als herrschendes Unternehmen anzusehen ist. In einem weiteren Schritt ist dann festzulegen, welche Gesellschaften in Bezug auf das zuvor definierte herrschende Unternehmen als abhängig gelten und unter Zugrundelegung des jeweiligen Umwandlungsvorgangs Vor- und Nachbehaltensfristen einhalten können und müssen.

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