Der EuGH und der Dauerbrenner „Feste Niederlassung“

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In einem Vorabentscheidungsersuchen aus dem Jahr 2020 wurden dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung der Definition der festen Niederlassung vorgelegt. Im Wesentlichen hatte sich der EuGH hierbei mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die für das Vorliegen einer festen Niederlassung erforderliche personelle und technische Ausstattung dem Steuerpflichtigen selbst gehören muss oder es sich hierbei um fremde Mittel eines verbundenen Unternehmens handeln kann.

Der durch das Unionsrecht geprägte Begriff der festen Niederlassung verlangt neben einem hinreichenden Grad an Beständigkeit auch eine Struktur, die es ihr von ihrer personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen für den eigenen Bedarf zu empfangen und zu verwenden (Art. 11 der MwStVO).

In der Rechtssache C-931/19, Titanium hatte der EuGH mit Urteil vom 3. Juni 2021 bereits klargestellt, dass die beiden Merkmale der personellen und technischen Ausstattung kumulativ vorliegen müssen. Über dieses Urteil hatten wir bereits berichtet. Ob es sich hierbei jedoch um die eigene Ausstattung des Unternehmers handeln muss, blieb weiterhin offen.

Sachverhalt

Dem Urteil ist ein Rechtsstreit zwischen der rumänischen Berlin Chemie A. Menarini SRL (SRL) und der rumänischen Finanzverwaltung vorausgegangen. Hierin ging es um die Frage, ob die deutsche Berlin Chemie AG (AG) aufgrund des ihr durch die SRL unmittelbar und dauerhaft gewährten Zugangs zu deren personeller und technischer Ausstattung eine feste Niederlassung in Rumänien begründet. In den Streitjahren war die AG, die in Rumänien pharmazeutische Erzeugnisse vermarktet, mehrheitlich an der SRL als verbundenes Unternehmen beteiligt. Mittels Vertrags verpflichtete sich die SRL gegenüber der AG zur Erbringung von Marketing-, Regulierungs-, Werbe- und Vertretungsleistungen. Der Vertrag sah dabei auch die Entgegennahme und Weiterleitung von Bestellungen sowie die Bearbeitung und Übermittlung von Rechnungen durch die SRL vor. Die AG war die einzige Kundin der SRL. Für die erbrachten Dienstleistungen erhielt die SRL eine vertraglich vereinbarte Vergütung, für welche sie Rechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausstellte. Im Rahmen einer Steuerprüfung kam die Finanzverwaltung zu der Auffassung, dass die SRL ihre Leistungen an eine in Rumänien belegene feste Niederlassung der AG erbracht hatte und setzte entsprechend rumänische Umsatzsteuer für diese Leistungen fest.

Urteil des EuGHs

In seinem Urteil bestätigt der EuGH zunächst erneut, dass der Besitz einer ausländischen Tochtergesellschaft allein nicht zum Vorliegen einer festen Niederlassung führen kann.

Zudem äußert sich der EuGH erfreulich klar, dass es für die Annahme einer in einem anderen Mitgliedstaat vorhandenen festen Struktur nicht erforderlich ist, dass es sich bei der personellen und technischen Ausstattung um eine eigene Ausstattung des Unternehmers handelt. Es genügt, wenn er über fremde personelle und technische Ausstattung verfügen kann, als wäre es seine eigene. Dies kann sich beispielsweise aus nicht kurzfristig kündbaren Dienstleistungs- oder Mietverträgen ergeben. Die Beurteilung, ob die AG über eine solche feste Struktur in Rumänien verfügte, wies der EuGH an das vorlegende Gericht zurück.

Im Ergebnis verneint der EuGH im vorliegenden Fall jedoch das Vorliegen einer festen Niederlassung. Dies begründet er damit, dass die der AG zur Verfügung gestellte Ausstattung dieselbe war, mit deren Hilfe die rumänische Gesellschaft ihre Dienstleistung an die AG erbracht hatte. Nach Aussage des EuGHs kann dieselbe Ausstattung jedoch nicht gleichzeitig für die Erbringung und für den Empfang derselben Dienstleistung verwendet werden.

Auswirkungen für Unternehmer

Der EuGH schafft Klarheit, dass auch fremde personelle und technische Mittel die Kriterien der für eine feste Niederlassung erforderlichen festen Struktur erfüllen können. Voraussetzung ist jedoch, dass der Unternehmer hierüber verfügen kann, als wäre es seine eigene Ausstattung (bspw. durch nicht kurzfristig kündbare Verträge).

Allerdings bleibt weiterhin ungeklärt, unter welchen besonderen Umständen eine Tochtergesellschaft das Vorliegen einer festen Niederlassung ihrer Muttergesellschaft begründen kann. Insoweit verbleiben für die Unternehmer Rechtsunsicherheiten. In diesem Zusammenhang wurde dem EuGH jüngst durch ein belgisches Gericht ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen vorlegt, in welchem er sich mit dieser Rechtsfrage auseinandersetzen muss (Rechtssache Cabot Plastics Belgium C-232/22).

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