Betriebsaufspaltung: Wann ist eine erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer möglich?

icon arrow down white

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16. September 2021 (Az. IV R 7/18) seine bisherige Rechtsauffassung zur Beherrschung einer Besitzpersonengesellschaft geändert. Nach diesem Urteil kann eine für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG schädliche Betriebsaufspaltung auch dann vorliegen, wenn die Herrschaft über die Besitzpersonengesellschaft nur mittelbar über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft begründet wird. Damit findet das bisher nach ständiger Rechtsprechung geltende Durchgriffsverbot in solchen Gesellschaftsstrukturen insoweit keine Anwendung mehr.

Hintergrund

Für sog. Grundstücksunternehmen sieht das Gewerbesteuergesetz eine erweiterte Begünstigung vor. So können grundbesitzende Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz nutzen und verwalten, anstatt der Kürzung mit 1,2 % vom Einheitswert der Betriebsgrundstücke die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG in Anspruch nehmen. Die begünstigten Vermietungserträge unterliegen dann nicht der Gewerbesteuer. Voraussetzung für diese Steuerbegünstigung ist insbesondere, dass das Grundstücksunternehmen ausschließlich begünstigte oder erlaubte Nebentätigkeiten, aber keine begünstigungsschädlichen Tätigkeiten ausübt. Sollte das Grundstücksunternehmen jedoch z. B. eine originär gewerbliche Tätigkeit ausüben, entfällt die Begünstigung insgesamt. Dies kann der Fall sein, wenn das Grundstücksunternehmen sog. Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist.

Die Betriebsaufspaltung beruht im Wesentlichen auf zwei Voraussetzungen: die sachliche und die personelle Verflechtung zwischen der Besitz- und der Betriebsgesellschaft. Die sachliche Verflechtung liegt typischerweise vor, wenn der Betriebsgesellschaft eine für ihren Betrieb wesentliche Grundlage (z. B. Grundstück) von der Besitzgesellschaft überlassen wird. Die personelle Verflechtung ist anzunehmen, wenn eine Person oder Personengruppe sowohl in der Besitzgesellschaft als auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann, d. h. beide Gesellschaften beherrschen kann (sog. einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille). Die Betriebsaufspaltung führt sodann regelmäßig zur Versagung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG.

Nach Ansicht der Rechtsprechung erzielen infolge einer Betriebsaufspaltung sowohl die Besitz- als auch die Betriebsgesellschaft „originär" gewerbliche Einkünfte. Hierdurch wird das in § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG normierte Ausschließlichkeitsgebot verletzt, mit der Folge, dass die erweiterte Kürzung für das Grundstücksunternehmen insgesamt zu versagen ist. Zur Vermeidung einer Betriebsaufspaltung konnte nach bisheriger Auffassung des BFH eine Kapitalgesellschaft als abschirmende Gesellschaft eingesetzt werden. In diesen Fällen musste die Beteiligung an der „Besitzpersonengesellschaft" mittelbar über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehalten werden.

Sachverhalt der Entscheidung des BFH

Im Streitfall war eine Personengruppe zu 100 % als Kommanditistin an der Besitzpersonengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (Klägerin) beteiligt. Daneben waren dieselben Gesellschafter zu 100 % an der entsprechenden Komplementär-GmbH beteiligt. Diese war auch - allerdings ohne Kapitalanteil - an der Besitzpersonengesellschaft beteiligt. Dieselbe Personengruppe war zu 100 % an einer GmbH beteiligt, die wiederum alleinige Kommanditistin der Betriebspersonengesellschaft (M-GmbH & Co. KG) war. Zugleich war diese zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft zu 100 % an der Komplementär-GmbH der Betriebspersonengesellschaft beteiligt. Die Komplementär-GmbH war am Kapital der Betriebspersonengesellschaft nicht beteiligt.

Die Klägerin war aufgrund ihrer gewerblichen Prägung i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerbesteuerpflichtig und machte für ihren Gewinn die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG geltend. Dem folgte das Finanzamt mit der Begründung nicht, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der M-GmbH & Co. KG vorlag. Im Streitfall führte diese Betriebsaufspaltung zur Versagung der erweiterten Kürzung.

Entscheidung des BFH v. 16. September 2021 (Az. IV R 7/18)

Der BFH folgte der Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage ab. Begründet wurde die Annahme der Betriebsaufspaltung mit dem Argument, dass die Herrschaft einer Personengruppe über eine Besitzpersonengesellschaft nicht allein auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen muss.

Nach Ansicht des BFH kann die Herrschaft über die Besitzpersonengesellschaft ebenso über eine mittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (im Streitfall: Gesellschafterin der M-GmbH & Co. KG) ausgeübt werden und dadurch eine personelle Verflechtung begründen. Maßgeblich sei, ob eine Person oder eine Personengruppe ihren Willen gleichermaßen in der Betriebs- und Besitzgesellschaft durchsetzen kann. Dies sei auch bei einer mittelbaren Beherrschung möglich. Das Durchgriffsverbot sei für diese Frage der Beherrschungsmöglichkeit ohne Bedeutung.

Ob das Durchgriffsverbot auch bei einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung (Besitz- und Betriebskapitalgesellschaften) weiterhin gilt, brauchte der BFH nicht zu entscheiden. Daher bleibt abzuwarten, ob das Durchgriffsverbot bei kapitalistischen Betriebsaufspaltungen weiterhin gilt.

Auswirkungen für die Praxis

Welche Bedeutung hat die Rechtsprechungsänderung für die Praxis?
Der BFH hat mit seiner Entscheidung eine neue Denkweise eingeführt, die wahrscheinlich zu mehr Versagungsfällen bei der erweiterten Kürzung führen wird, da eine Betriebsaufspaltung künftig nicht mehr durch eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft geblockt werden kann, sofern die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist.

Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung für Altfälle Vertrauensschutz gewährt.

In der Praxis sollten Steuerpflichtige ihre Gesellschaftsstrukturen überprüfen. In den Fällen, in denen die Besitzpersonengesellschaft mittelbar über eine Kapitalgesellschaft gehalten wird, besteht möglichweise Handlungsbedarf (z.B. Formwechsel, Anwachsungen oder gesellschaftsrechtliche Anpassungen) um weiterhin in den Genuss der erweiterten Kürzung zu kommen.

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • Informationen zum Umgang mit dem Grundsteuerbescheid

  • Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG auch ohne Beauftragung für Mieter und Eigentümer

  • Bauabzugsteuer – ein umfassender Leitfaden

  • Neuerungen in Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen