Das Steuer- und Haftungsrisiko des Leistungsempfängers für die Bauabzugsteuer (§§ 48 ff EStG) ist vielen trotz des langanhaltenden Baubooms nicht bekannt.

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat am 19. Juli 2022 ein Schreiben veröffentlicht und dabei den umfangreichen Anwendungsbereich der Bauabzugsteuer aus der Grundlagenentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. November 2019 (Az. I R 46/17) bestätigt.

Was ist die Bauabzugsteuer und wer muss sie bezahlen?

Seit Einführung der Bauabzugsteuer im Jahr 2002 ist der Empfänger von Bauleistungen gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 EStG - sofern er Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist - dazu verpflichtet von seiner Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 % vorzunehmen. Gegenleistung meint hierbei den geleisteten Bruttorechnungsbetrag. Den einbehaltenen Steuerabzug muss der Leistungsempfänger dann anhand einer Anmeldung bis zum zehnten Tag des folgenden Monats, in dem die Gegenleistung beim Leistungsempfänger abgeflossen ist, beim zuständigen Finanzamt abführen (§48 a EStG). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach oder führt er einen zu niedrigen Abzugsbetrag ab, haftet der Leistungsempfänger für den zu niedrig entrichteten Steuerbetrag. Ferner können Säumnis- und Verspätungszuschläge (bis zu EUR 25.000) die Folge sein.

Wir weisen zur Klarstellung noch besonders darauf hin, dass von einem möglichen Haftungsfall nicht etwa nur Gewerbetreibende betroffen sind. Auch Vermieter von Immobilien zu Wohnzwecken, für welche aufgrund der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG keine Umsatzsteuer geleistet wird oder Steuerpflichtige, die von der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG Gebrauch machen, gelten als Unternehmer im Sinne des UStG und sind daher grundsätzlich auch von der Bauabzugsteuer betroffen.

Begriffsdefinitionen: Bauleistungen und Bauwerk

Unter einer Bauleistung sind alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 48 Absatz 1 Satz 3 EStG).

Laut dem o. g. BMF-Schreiben ist der Begriff des Bauwerks dabei weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (z. B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen, Windkraftanlagen). Auch Scheinbestandteile im Sinne des § 95 BGB, die von der Sache her nur vorübergehend mit dem Boden verbunden sind, können Bauwerke darstellen.

Ausschließlich planerische Leistungen (z. B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren), Labordienstleistungen (z. B. chemische Analyse von Baustoffen) oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben sind keine Bauleistungen.

Ferner stellt das BMF-Schreiben klar, dass die Installation einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Gebäude ebenfalls eine Bauleistung im Sinne des § 48 EStG darstellt. Hier ist es wichtig zu beachten, dass auch Betreiber von kleineren Anlagen, die in Zukunft gemäß § 3 Nr. 72 EStG-E steuerfreie Einkünfte erzielen, weiterhin Unternehmer im Sinne des UStG sind und so unter den § 48 EStG fallen.

Auf Empfängerseite ist somit Vorsicht in Hinblick auf einen möglichen oder nicht vorgenommenen Steuerabzug geboten.

Wer ist von der Bauabzugsteuer befreit?

Der Gesetzgeber hat Ausnahmen/Befreiungsvorschriften in den §§ 48ff. definiert, die das drohende Haftungsrisiko entschärfen.

Gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG des Leistenden

Zum einen muss ein Steuerabzug nicht vorgenommen werden, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung, d. h. bei Begleichen der Rechnung durch Zahlungsabfluss beim Leistungsempfänger, gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegt.

Freistellungsbescheinigungen werden auf Antrag vom zuständigen Finanzamt erteilt. In der Regel sind diese für einen Zeitraum von drei Jahren gültig, können aber im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts in der Gültigkeit auch lediglich auf einen bestimmten Auftrag begrenzt erteilt werden.

Wir empfehlen die Gültigkeit der vorgelegten Freistellungsbescheinigung stets zu überprüfen, da hieraus für den Leistungsempfänger empfindliche Konsequenzen resultieren können. Das Bundeszentralamt für Steuern sammelt erteilte Freistellungsbescheinigungen in einer Datenbank und stellt sie elektronisch und kostenlos zum Abruf zur Verfügung.

Zwei-Wohnungs-Grenze

Zum anderen ist ebenso von einem Steuerabzug abzusehen, wenn Leistungen für vermietete Wohnungen erbracht werden, sofern vom Leistungsempfänger nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet werden. Werden lediglich einzelne Zimmer (unter-)vermietet, ist kein Steuerabzug vorzunehmen. Hiermit hat der Gesetzgeber insbesondere eine Entlastung für private Vermieter gedacht.

Bagatellgrenze von EUR 5.000/EUR 15.000 pro Kalenderjahr

Überschreiten die kumulierten voraussichtlich zu erbringenden Gegenleistungen (Bruttorechnungsbeträge) des Leistungsempfängers an denselben Leistenden im laufenden Kalenderjahr die Bagatellgrenzen von EUR 5.000 nicht, kann ebenfalls auf die Einbehaltung und Abführung der Bauabzugsteuer verzichtet werden. Die Freigrenzen betragen für Leistungsempfänger, die ausschließlich steuerfreie Umsätze aus Vermietung und Verpachtung ausführen (§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG) EUR 15.000.

Tipp: Überblick mit Checkliste behalten

Das unterschätzte Steuer- und Haftungsrisiko für die Bauabzugsteuer nach § 48 EStG erfordert vom Leistungsempfänger von Bauleistungen besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Insbesondere die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigungen der Auftragspartner, sowie die Unterschreitung der 2-Wohnungs-Grenze und der jährlichen betragsmäßigen Freigrenzen sollten – auch bei privaten Vermietern - stets dokumentiert und überprüft werden.

Um den Überblick zu behalten, können Sie unsere kostenfreie Checkliste zu den nötigen Prüfungsschritten in Hinblick auf einen möglicherweise vorzunehmenden Einbehalt von Bauabzugsteuer nach §§ 48 ff. EStG downloaden.