Alle Jahre wieder: Änderungen im Arbeitsrecht 2023

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In diesem Beitrag möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über einige aktuelle Änderungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht für das Jahr 2023 geben. Die Änderungen betreffen die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung, die - nun aber wirklich startende - elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie die Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen an die Agentur für Arbeit.

Außerdem gibt es Neues zum „Dauerbrenner" Arbeitszeiterfassung: Das Bundesarbeitsgericht hatte unlängst entschieden, dass schon jetzt eine gesetzliche Pflicht zur Erfassung der täglichen Arbeitszeiten bestehe, die über die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes hinausgeht. Nun liegen die mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe vor. Darauf hat auch das Bundesarbeitsministerium gewartet und wird voraussichtlich im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Arbeitszeiterfassung vorlegen.

BEITRAGSBEMESSUNGSGRENZEN 2023 IN DER SOZIALVERSICHERUNG

Nachdem die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung in den alten Bundesländern im Jahr 2022 erstmals gesunken war, steigt sie aufgrund der Lohnentwicklung in den alten Bundesländern nunmehr um EUR 250,00 und in den neuen Bundesländern sogar um EUR 350,00 monatlich. Die Beitragsbemessungsgrenzen in der Arbeitslosenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Versicherungspflichtgrenze werden ebenfalls erhöht.

Im Einzelnen gelten ab dem 1. Januar 2023 folgende monatliche Werte (brutto):

  West Ost
Allgemeine Rentenversicherung / Arbeitslosenversicherung EUR 7.300,00 EUR 7.100,00
Kranken- und Pflegeversicherung EUR 4.987,50 EUR 4.987,50
Versicherungs­­pflicht­­grenze Kranken- und Pflege­­versicherung EUR 5.550,00 EUR 5.550,00

ELEKTRONISCHE ARBEITSUNFÄHIGKEITS­BESCHEINIGUNG

Nach mehreren Verschiebungen soll die bisherige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform nun tatsächlich ab dem 1. Januar 2023 durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt werden. Künftig werden die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt digital an die jeweilige Krankenkasse übermittelt. Arbeitgeber*innen müssen die Bescheinigungen über geeignete Schnittstellen digital bei der jeweiligen Krankenkasse abrufen. Dies muss aktiv im Einzelfall durch die Arbeitgeber*innen erfolgen, da keine automatische Übermittlung stattfindet. Durch diese Neuregelung entfällt lediglich die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Pflichten der Arbeitnehmer*innen zur Krankmeldung und zum rechtzeitigen Aufsuchen eines Arztes zwecks Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bleiben unberührt. Allerdings bleibt es weiterhin bei der bisherigen Papierform, sofern Arbeitnehmer*innen privat krankenversichert sind oder wenn sie Ärzte aufsuchen, die nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen – also keine „Kassenzulassung" haben.

Im Hinblick darauf müssen die entsprechenden Prozesse im Unternehmen – soweit noch nicht geschehen – angepasst und die Arbeitnehmer*innen hierüber informiert werden. In der Praxis wird die Umstellung wohl noch einige Herausforderungen für alle Beteiligten bereithalten.

ELEKTRONISCHE ARBEITSBESCHEINIGUNGEN

Arbeitgeber*innen können zukünftig die Arbeitsbescheinigung sowie die EU-Arbeitsbescheinigung nur noch digital und nicht mehr in Papierform an die Agentur für Arbeit übermitteln. Die Pflicht zur Online-Übermittlung gilt ab dem 1. Januar 2023 für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe oder Branche. Nur wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2022 endet, können die Bescheinigungen noch in Papierform oder maschineller Form eingereicht werden.

ERFASSUNG VON ARBEITSZEITEN

Im kommenden Jahr ist zudem mit Neuregelungen zur Arbeitszeiterfassung zu rechnen. Im September 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht etwas überraschend festgestellt, dass Arbeitgeber*innen bereits nach aktueller Rechtslage verpflichtet seien, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer*innen über die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes hinaus zu erfassen. Weitere Einzelheiten finden Sie in unserem Beitrag „Pflicht zur Arbeitszeiterfassung". Nachdem es zu dieser Entscheidung zunächst nur eine Pressemitteilung gab, liegen nun die mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe vor.

Das Bundesarbeitsgericht begründet darin sehr ausführlich, dass sich eine Pflicht zur umfassenden Erfassung der täglichen Arbeitszeit nicht aus den derzeit geltenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes ergäbe und lehnt insoweit auch eine europarechtskonforme Auslegung ab. Allerdings leitet es im Anschluss aus § 3 des Arbeitsschutzgesetzes eine Verpflichtung der Arbeitgeber*innen ab, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmer*innen geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen. Damit sollen Beginn und Ende und somit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden. Ein solches System sei „zur Durchführung" des Arbeitsschutzes erforderlich, um sicherzustellen, dass die den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen bezweckenden Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden.

Leider gibt es in der Entscheidungsbegründung kaum inhaltliche Leitlinien zur praktischen Ausgestaltung einer solchen Zeiterfassung. Immerhin verweist das Bundesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von 2019 darauf, dass die Arbeitszeiterfassung nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen müsse, sondern eine Aufzeichnung in Papierform je nach Tätigkeit und Unternehmen genügen könne. Auch eine Delegation der Aufzeichnung an die Arbeitnehmer*innen sei nicht ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz könnten die Betriebsparteien entsprechende Regelungen für den Betrieb treffen, solange und soweit der deutsche Gesetzgeber seinen Spielraum bei der Ausgestaltung der unionsrechtlichen Arbeitszeiterfassungspflicht nicht ausgeübt hat. Insofern bestehe auch ein Initiativrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Einführung eines Zeiterfassungssystems.

Nach ersten Verlautbarungen dürfte damit zu rechnen sein, dass das Bundesarbeitsministerium noch im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Arbeitszeiterfassung vorlegen wird. Die genauen Inhalte bleiben abzuwarten. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und halten Sie auf dem Laufenden.

Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie Fragen zu diesen oder anderen Themen haben.

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