Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen sind unwirksam

icon arrow down white

Mit Urteil vom 27. September 2017 (XII ZR 114/16) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass sogenannte Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen unwirksam sind.

Ausgangslage: Risiko eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis aufgrund von nachträglichen mündlichen Vereinbarungen gegeben

Ein Gewerberaummietvertrag, welcher für eine längere Zeit als ein Jahr fest abgeschlossen werden soll, muss dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB entsprechen. Das bedeutet, er muss schriftlich, in der Form des § 126 BGB, abgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt dazu, dass ein für einen längeren Zeitraum (z. B. zehn Jahre) fest abgeschlossener Mietvertrag für beide Parteien jederzeit mit den gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich kündbar ist. Bei einem Gewerberaummietvertrag bedeutet dies, dass eine ordentliche Kündigung nach § 580a Abs. 2 BGB spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig ist.

Die Praxis zeigt, dass bei vielen bestehenden Mietverträgen das Risiko eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis, z. B. aufgrund von nachträglichen mündlichen Vereinbarungen der Vertragsparteien zu wesentlichen Vertragsgegenständen, gegeben ist. Insbesondere wenn eine Partei den frühzeitigen Ausstieg aus einer langfristigen mietvertraglichen Bindung sucht, kann dieser Punkt in der Praxis relevant werden.

Rückblick: Rechtswirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln lange nicht geklärt

Um die Möglichkeit einer solchen ordentlichen Kündigung unter Berufung auf einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis auszuschließen, enthalten viele Gewerberaummietverträge sogenannte Schriftformheilungsklauseln mit der generellen Verpflichtung der Parteien, Schriftformverstöße jedweder Art nachträglich zu beseitigen, um so eine „vorzeitige“ Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung zu unterbinden.

Bereits 2014 entschied der BGH, dass ein Erwerber eines Grundstücks, welcher kraft Gesetzes als neuer Vermieter in einen bestehenden Mietvertrag eintritt (§ 566 BGB), trotz einer Schriftformheilungsklausel nicht gehindert ist, wegen eines nicht aus seiner Vertragszeit stammenden Schriftformmangels den Mietvertrag ordentlich zu kündigen (vgl. z. B. BGH, Urteil v. 22. Januar 2014 – XII ZR 68/10; BGH, Urteil v. 30. April 2014 – XII ZR 146/12). Inwieweit Schriftformheilungsklauseln im Übrigen und damit insbesondere zwischen den ursprünglichen Parteien Rechtswirkung entfalten, war bislang nicht höchstrichterlich entschieden.

Aktuelle Entscheidung: Schriftformheilungsklauseln sind unwirksam

Der BGH hat in dieser Frage nun Klarheit geschaffen und entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln unabhängig davon, ob sie individualvertraglich oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden, unwirksam sind. Begründet wird dies damit, dass das Schriftformerfordernis auch dazu diene, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Schriftformheilungsklauseln hätten jedoch zur Folge, dass die Vertragsparteien an eine nicht schriftliche Vereinbarung für die volle Vertragslaufzeit gebunden wären. Vor dem Hintergrund dieses Schutzzweckes seien Schriftformheilungsklauseln mit dem nicht abdingbaren § 550 BGB unvereinbar. Jedoch sei es nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass eine solche ordentliche Kündigung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße. Dies könne z. B. dann der Fall sein, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich ausschließlich zu ihrem Vorteil getroffene Abrede zum Anlass nehme, sich allein unter Berufung auf die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen.

Konsequenz für die Praxis: Einhaltung des Schriftformerfordernisses beachten

Es sollte bei langfristigen Gewerberaummietverträgen penibel auf die Einhaltung des Schriftformerfordernisses geachtet werden, um das Risiko der vorzeitigen Kündbarkeit zu vermeiden. Bestehende Verstöße gegen das Schriftformerfordernis können über schriftformkonforme Nachträge geheilt werden. Hierbei ist stets abzuwägen, ob es taktisch sinnvoll ist, mit diesem Anliegen offen an die andere Partei heranzutreten oder z. B. die Möglichkeit besteht, aus anderen Gründen abzuschließende Nachträge dafür zu nutzen, Schriftformverstöße zu heilen. 

Über das Symbol diesen Artikel weiterempfehlen

Dazu passende Artikel

  • Informationen zum Umgang mit dem Grundsteuerbescheid

  • Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG auch ohne Beauftragung für Mieter und Eigentümer

  • Bauabzugsteuer – ein umfassender Leitfaden

  • Neuerungen in Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen