Internationale steuerliche Aspekte in Zusammenhang mit COVID-19

Stellungnahme der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

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Die Coronapandemie verlangt Unternehmen und den Arbeitnehmer:innen ein hohes Maß an Flexibilität und Handlungsfähigkeit ab, um die betrieblichen Abläufe an die sich stetig ändernden behördlichen Maßnahmen anzupassen. Insbesondere die geltenden Reisebeschränkungen stellen dabei einen wesentlichen Eingriff in den Geschäftsbetrieb international agierender Unternehmen dar, die u.a. auch steuerliche Folgewirkungen mit sich bringen können. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat vor diesem Hintergrund am 3. April 2020 zu diversen durch COVID-19 verursachten internationalen steuerlichen Fragestellungen Stellung genommen. Hierüber geben wir nachfolgend einen ersten Überblick.

Begründung von Betriebsstätten

Behördliche Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung des Coronavirus weltweit führen gegenwärtig dazu, dass viele Arbeitnehmer:innen ihre Tätigkeit an einem anderen Ort bzw. in einem anderen Staat als ursprünglich geplant erbringen, vorwiegend aus dem Homeoffice heraus. Infolgedessen werden auch unternehmerisch wichtige Funktionen unter Umständen zeitweise ungewollt an einem anderen Ort als ursprünglich vorgesehen ausgeübt. Steuerlich ergeben sich daraus eine ganze Reihe denkbarer Folgewirkungen, etwa im Hinblick auf die Begründung bzw. den Betrieb von Betriebsstätten, welche nach den allgemeinen steuerlichen Regelungen regelmäßig zu einer Steuerpflicht des betroffenen Unternehmens in dem jeweiligen Betriebsstättenstaat führt. Die aktuellen Kernsagen der OECD hierzu lassen sie wie folgt zusammenfassen:

  1. Die durch COVID-19 verursachte Situation soll international grundlegend zur keiner abweichenden Bewertung hinsichtlich der Begründung von Betriebsstätten führen. Dies bedeutet, es sollen weiterhin die in den nationalen Gesetzen und Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geregelten Definitionen gelten.
  2. Die außerordentliche und vorübergehende Verlagerung der Tätigkeiten von Arbeitnehmer*innen in ihr Homeoffice aufgrund COVID-19 sollte dabei allerdings regelmäßig nicht zu der Begründung einer (neuen) Betriebsstätte des Arbeitgebers führen. Wesentliche Argumente der OECD sind an dieser Stelle darauf gerichtet, dass Arbeitgeber grundsätzlich keine Verfügungsmacht über das Homeoffice der Arbeitnehmer*innen haben und es der vorübergehenden Homeoffice-Tätigkeit zur Bekämpfung der Coronapandemie an dem Erfordernis einer gewissen Dauerhaftigkeit mangelt.
  3. Ebenso sollte der zeitlich befristete Abschluss von Verträgen in der Wohnung von Arbeitnehmer*innen oder eines abhängigen Vertreters aufgrund COVID-19 i.d.R. keine Vertreter-Betriebsstätte begründen. Eine anderweite Beurteilung ergibt sich allerdings u.a. dann, wenn die Verträge ohnehin gewöhnlich von dort abgeschlossen werden (zeitliche Komponente).
  4. Eine Bau- und Montagebetriebsstätte sollte aufgrund einer durch COVID-19 verursachten vorübergehenden Unterbrechung nicht als „nicht existierend“ bzw. beendet betrachtet werden. Demnach sind nach Sichtweise der OECD für die Beurteilung der Begründung einer Betriebsstätte die durch COVID-19 bedingten Unterbrechungen mit in die Fristberechnung einzubeziehen.

 

Abkommensrechtliche Ansässigkeit von Unternehmen (Ort der Geschäftsleitung)

Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die internationale Besteuerung von Unternehmen bzw. die Verteilung von Besteuerungsrechten ist der Ort der Geschäftsleitung „place of management“. Aus deutscher Sicht ist dieser bei einer Kapitalgesellschaft regelmäßig dort gelegen, wo die zur Vertretung befugten Personen die Geschäftsführertätigkeiten (Entscheidungen des Tagesgeschäftes) ausüben.

Eine vorübergehende Änderung des Arbeitsorts von Geschäftsführern und leitenden Angestellten infolge der außergewöhnlichen und temporären Situation durch COVID-19 sollte aus Sicht der OECD grundsätzlich nicht zu einer Verlagerung des Ortes der Geschäftsleitung bzw. der DBA-rechtlichen Ansässigkeit führen.

Besteuerung von grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer*innen

Neben den aufgeführten ertragsteuerlichen Themen für Unternehmen ergeben sich durch die aktuellen Arbeitsbedingungen ebenfalls Fragstellungen zur Besteuerungssituation grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer*innen.

Derzeit wird eine Großzahl von Unternehmen von Staaten in Form von Konjunkturpaketen unterstützt, u.a. um den Erhalt von Arbeitsplätzen sicherzustellen. In grenzüberschreitenden Fällen, wo Arbeitnehmer*innen sich derzeit untätig an ihrem Wohnsitz aufhalten, der in einem anderen Staat als ihr gewöhnlicher Arbeitsplatz liegt, ergibt sich daher die Fragstellung, welcher Staat das Besteuerungsrecht für die aus diesen Maßnahmen beruhenden Gehaltszahlungen hat. Aus Sicht der OECD sollten diese Zahlungen in dem Staat besteuert werden, in dem die Tätigkeit ausgeübt worden wäre. Dies beruht gemäß den Erläuterungen der OECD auf der Ansicht, dass diese am ehesten mit Gehaltszahlungen bei Freistellung von der Arbeitsleistung in Abfindungsfällen vergleichbar sind.

Besonderheiten können sich beispielsweise beim Bezug von Kurzarbeitergeld ergeben. Diese stellen regelmäßig eine Leistung aus der Sozialversicherung dar. Deutschland hat diesbezüglich unterschiedliche Regelungen in den abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen getroffen.

Die OECD thematisiert in ihren Ausführungen vorwiegend die Besteuerung in Zusammenhang mit Zahlungen aus Subventionsmaßnahmen. Darüber hinaus sollten Arbeitnehmer*innen u.E. unabhängig von finanziellen Engagements der Regierungen in der aktuellen Situation so besteuert werden, als hätten sie ihre Tätigkeit am eigentlichen Arbeitsort ausgeübt. Deutschland hat dies erkannt und zusammen mit einigen Nachbarstaaten zeitlich befristet Erleichterungsregelungen bezüglich der Besteuerung von Grenzpendler*innen auf den Weg gebracht. Ausführlichere Erläuterungen zu diesem Thema finden Sie hier.

Abkommensrechtliche Ansässigkeit von natürlichen Personen

Ein entscheidendes Kriterium für Zuweisung von Besteuerungsrechten bei natürlichen Personen ist im internationalen Steuerrecht die abkommensrechtliche (DBA-rechtliche) Ansässigkeit. Derzeit halten sich in der ganzen Welt Menschen für die Dauer der angeordneten Reisebeschränkungen in Staaten auf, in welchem sich bisher nicht DBA-rechtlich ansässig waren.

Diese Situation kann je nach nationalem Recht des jeweiligen Staates zu einer dortigen Steuerpflicht führen. Die OECD erachtet es jedoch als unwahrscheinlich, dass sich die DBA-rechtliche Ansässigkeit einer natürlichen Person infolge der befristeten Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 verlagert. Dies wird dadurch begründet, dass bei Bestimmung des vorrangigen Ansässigkeitsstaates i.d.R. darauf abgestellt wird, in welchem Staat die Person eine ständige Wohnstätte hat, oder, falls dies für beide Staaten zu bejahen ist, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Diese Merkmale sollten daher regelmäßig die Ansässigkeitsfrage zu Gunsten des bisherigen Ansässigkeitsstaates beantworten.

Zusammenfassung

Die Stellungnahme der OECD dient Steuerpflichtigen und auch Finanzverwaltungen als grobe Orientierungshilfe in einem besonders dynamischen steuerlichen Umfeld. Die Verlautbarungen der OECD entfalten jedoch keinerlei Bindungswirkung, sodass die deutsche Finanzverwaltung oder die betroffenen Staaten im konkreten Fall weiterhin andere Rechtsauffassungen vertreten können. Sofern Sie zu den aufgegriffenen Themen konkrete Fragen haben, sind wir Ihnen gern behilflich.

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