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Pünktlich zum November 2019 verabschiedete der Bundesrat die vorgelegte Grundsteuerreform der Bundesregierung, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 entschied, dass die bisherige Art und Weise der Grundsteuererhebung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt und somit verfassungswidrig ist. Neu berechnet wird die Grundsteuer ab dem Jahr 2025.

Inhalt des Bundesmodells

Die Berechnungsmethode des neuen Bundesmodells von Finanzminister Olaf Scholz unterscheidet sich technisch nicht wesentlich von der bisherigen Ermittlung der Grundsteuer B, da der Einheitswert weiterhin die Basis bildet.

Bisher wurde der Einheitswert jedoch über das Ertragswert- oder Sachwertverfahren ermittelt. Bei bebauten Grundstücken soll künftig nur noch das Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen. Das beschlossene Verfahren berücksichtigt neue bzw. weniger Kriterien, nämlich die Grundstücksfläche, den Bodenrichtwert, die Gebäudeart, das Baujahr und die Nutzfläche. Außerdem sollen die Einheitswerte aller Grundstücke vom Jahr 2025 an alle sieben Jahre neu ermittelt werden.

Mit der Reform kam nicht nur ein neues Berechnungsmodell, sondern auch die Länderöffnungsklausel. Diese erlaubt jedem einzelnen Bundesland die Implementierung eines eigenen Modells. Das Bündnis „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ stellte am Tage des Beschlusses über das Reformgesetz die Verfassungsmäßigkeit in Frage und appellierte an die Länder unbedingt Gebrauch von der Länderöffnungsklausel zu machen. Nach seiner Empfehlung sollen die Länder auf eine verfassungsfeste Bodenwertsteuer zurückgreifen, die nur die Flächen einer Immobilie berücksichtigt.

Kritikpunkte

Trotz Vereinfachung fällt das Erhebungsverfahren des neuen Bundesmodells weiterhin zu kompliziert aus und die Vorgabe der Neubewertung jeder Immobile alle sieben Jahre führt voraussichtlich zu einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand. Zudem droht vielen Eigentümern und mittelbar auch Mietern durch die neu ermittelten und dadurch höher angesetzten Einheitswerte nach jetzigem Stand in Abhängigkeit der Hebesätze der Kommunen eine effektive Grundsteuererhöhung.

Zustimmung für Bundesmodell

Die Länder Brandenburg, Thüringen, Bremen, das Saarland, Rheinland-Pfalz und Berlin befürworten das neu beschlossene Bundesmodell und setzen es voraussichtlich in die Tat um. Berlin kündigte indes bereits an, der drohenden Steuererhöhung durch niedrigere Hebesätze entgegen wirken zu wollen.

Entscheidungsunsicherheit

Ob ein eigenes Modell für eine Verwerfung des Bundesmodells geeignet ist, prüfen derzeit die Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils für sich. Schleswig-Holstein entschied sich zuerst für das Bundesmodell, jedoch scheinen die Stimmen gegen dieses Modell lauter zu werden und die Finanzministerin Monika Heinold zeigte sich zuletzt offen für alternative Modelle.

Ländermodelle

Bayern galt durch die Durchsetzung der Länderöffnungsklausel als Vorreiter für ein abweichendes Modell. Der Modellvorschlag sollte, um einem etwaigen Flickenteppich entgegen zu wirken, Niedersachsen und anderen Bundesländern als Vorlage dienen. Die Idee des bayrischen Flächenmodells sieht eine Berechnung der Grundsteuer ohne weitere Wertkomponenten vor. Diese „Einfachgrundsteuer“ beruht auf den Kriterien „Fläche des Grund und Bodens“ sowie „Wohn- bzw. Nutzfläche des Gebäudes“. Die COVID-19-Pandemie verzögerte bisher konkrete Gesetzesvorschläge.

Hessen hat sich entgegen dem Bundesmodell für ein „Berechnungsverfahren auf der Basis der Grundstücksund Gebäudeflächen – ergänzt um einen Lagefaktor“, mit dem die Flächenzahl multipliziert werden soll, entschieden. Mit einem einfachen Faktorverfahren wird das Ergebnis des Flächenmodells erhöht oder vermindert, je nachdem, wie sich die Lagequalität des betreffenden Grundstücks im Vergleich zu einer durchschnittlichen Lage in der Gemeinde darstellt.

Niedersachsen hat unabhängig von Bayern einen Gesetzesentwurf vorgestellt, in dem ebenfalls die Boden- und Gebäudefläche jedoch ergänzt um einen Lagefaktor berücksichtigt werden soll. Begründet wird die Abweichung vom Bundesmodell mit einem geringeren Bürokratieaufwand.

Auch Sachsen hat bereits einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgestellt. Bei der Grundsteuer A und der durch die Reform neu eingeführten Grundsteuer C (unbebaute Grundstücke) soll nicht vom Bundesmodell abgewichen werden. Lediglich bei der Grundsteuer B wird von der Steuermesszahl des Bundesmodells Abstand genommen und es werden einzelne Werte für Wohngrundstücke und Geschäftsgrundstücke festgelegt. Sachsen hofft darauf, dass seine Kommunen ihre Hebesätze dem Gesetzesentwurf entsprechend anpassen, um eine drohende effektive Kostenerhöhung für Wohnen in Großstädten zu vermeiden.

Baden-Württemberg ist das erste Land, das einen Gesetzesentwurf für ein „modifiziertes Bodenwertmodell“ am 28. Juli 2020 verabschiedet hat. Er basiert auf den Kriterien Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Beide Werte werden miteinander multipliziert. Im zweiten Schritt wird eine Steuermesszahl angewandt, die sich nach der Nutzungsart des Grundstücks richtet. Grundstücke mit überwiegender Wohnnutzung sollen von einem Abschlag auf die Steuermesszahl profitieren.

Hamburg berücksichtigt sowohl Fläche als auch Lage des Grundstücks. Unabhängig von der Nutzung wird die Grundstücksfläche mit EUR 0,02 und die Gebäudefläche mit EUR 0,40 je Quadratmeter angesetzt. Wohnflächen werden mit einem Wertabschlag in Höhe von 50 % begünstigt. Zur Orientierung dient der Mietenspiegel der Stadt. Gute Lagen erhalten den Faktor 1 und normale Lagen den Faktor 0,75. Um das Ziel der Aufkommensneutralität zu erreichen, wird der Grundsteuerhebesatz deutlich angehoben und kann künftig über 1.000 % hinausgehen. Für brachliegende Grundstücke, für die eine Baugenehmigung vorliegt, soll grundsätzlich ein höherer Hebesatz errechnet werden. An Musterrechnungen der Stadt Hamburg ist zu erkennen, dass die Zahlen keiner den Lebensumständen allgemeinen Situation entsprechen und eine erhebliche Bewertungsunschärfe zu befürchten ist. Dazu fehlt in den Beispielrechnungen auch eine Gegenüberstellung zur Grundsteuer nach der bisherigen Berechnung, um zu erkennen wo genau die neue Formel ansetzt und weshalb genau sie besser und gerechter sein soll als die bisherige Wertermittlung.

Ausblick

Die weitere Entwicklung der jeweiligen Gesetzesentwürfe im Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten. Es ist jedoch jetzt schon erkennbar, dass die zukünftige Grundsteuererhebung in der Bundesrepublik Deutschland zum einen länderabhängig erfolgen wird und zum anderen die Gesamtziele, die der notwendigen Reform zugrunde liegen, zum heutigen Zeitpunkt nicht zufriedenstellend gelöst scheinen. Insbesondere die Kritik an dem von Olaf Scholz vorgelegten Bundesmodell ist unserer Auffassung nach berechtigt, da die erfolgten Änderungen technisch und inhaltlich überschaubar ausfallen und der drohende Bürokratiemehraufwand bei unterstellter Aufkommensneutralität der Grundsteuer auf den ersten Blick nicht gerechtfertigt erscheint. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass bei der heutigen Einheitswertermittlung im Bewertungsgesetz angelegt ist, dass diese Werte alle sechs Jahre neu ermittelt werden müssen. Dies ist jedoch bisher aus Kapazitätsgründen der Finanzverwaltung nicht erfolgt. Im Hinblick auf die skizzierten voraussichtlichen Ländermodelle ist in den jeweiligen Gesetzesentwürfen abzuwarten, welche technischen Wertermittlungsfaktoren noch Einfluss finden und wie diese in der Berechnungsmethode wirken werden. Die bisher vorgelegten Rahmenparameter deuten jedoch darauf hin, dass zugunsten einer deutlichen Vereinfachung der Wertberechnung Wertfaktoren in die zukünftige Grundsteuererhebung einbezogen werden, die den Vorwurf einer Willkür zum heutigen Zeitpunkt nicht völlig überzeugend entkräften. Sofern dann das Ziel der Aufkommensneutralität durch Anpassung der einzelnen Grundsteuerhebesätze der Kommunen erreicht wird, ist damit zu rechnen, dass auch zukünftig die vom Bundesverfassungsgericht bemängelte Ungleichbehandlung einzelner Grundstückseigentümer zumindest regional bezogen fortbestehen wird. Wir werden Sie über die weitere Entwicklung der Gesetzgebungsprozesse informieren.