In den letzten Wochen lag der personalpolitische Fokus in vielen Unternehmen auf der kurzfristigen Bewältigung der Coronakrise, häufig durch die Einführung von Kurzarbeit sowie die Schaffung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Tätigkeit im Homeoffice. Nun stehen die nächsten Schritte an, die weitere Herausforderungen auch im Bereich des Arbeitsrechts mit sich bringen. Einige dieser Herausforderungen greifen wir im Folgenden auf.

1.   Organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung des Geschäftsbetriebes

Trotz der teilweisen Lockerung der staatlichen Beschränkungen des täglichen Lebens und des Geschäftsverkehrs darf die Gefahr, die vom SARS-CoV-2-Virus weiterhin ausgeht, nicht unterschätzt werden. Unternehmen tun daher gut daran, sich auf eine mögliche künftige Infektionswelle und die damit verbundenen Auswirkungen auf die eigenen Betriebsabläufe vorzubereiten.

Sollte es zu einer Infektionswelle kommen, könnten zahlreiche Mitarbeiter kurzfristig für längere Zeit krankheitsbedingt oder aufgrund von Quarantänemaßnahmen ausfallen, auch wenn letztere von Seiten der Gesundheitsämter bislang nur sehr zurückhaltend verhängt wurden. Das kann vor allem bei Schlüsselpersonal zu Problemen führen, welches nicht ohne weiteres ersetzt werden kann, etwa weil bei diesen Mitarbeitern bestimmte Kompetenzen und Kenntnisse oder wichtige Zugriffsrechte bzw. rechtliche Vertretungsbefugnisse (z. B. Organstellungen bei Tochtergesellschaften) gebündelt sind.

Unternehmen sollten daher frühzeitig Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung essentieller Geschäftsprozesse treffen. Im ersten Schritt müssen hierfür denkbare Ausfallszenarien durchgespielt werden, um Problemfelder zu identifizieren. Was passiert, wenn dieser oder jener Mitarbeiter kurzfristig für längere Zeit erkrankt? Wer kann welche Aufgaben kurzfristig übernehmen? Wer ist mit den jeweiligen Anforderungen vertraut und hat die erforderlichen Informationen?

In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, wie man identifizierte Risiken ausschalten oder zumindest minimieren kann. So könnten internes Know-how und Best-Practice-Leitfäden bzw. Prozessbeschreibungen an einem zentralen Ort hinterlegt werden, damit andere Mitarbeiter bei Bedarf hierauf zugreifen können. Die aktuellen Vertretungsbefugnisse sollten geprüft und ggf. neu geregelt bzw. durch die Hinterlegung von Vollmachten abgesichert werden. Außerdem könnte erwogen werden, bereits jetzt Notfallteams zu bilden, die im Bedarfsfall kritische Betriebsabläufe kurzfristig sicherstellen. Ferner kann es sich anbieten, die Regelungen zum arbeitgeberseitigen Zugriff auf betriebliche E-Mail-Konten zu prüfen und zu überarbeiten bzw. standardmäßige Vertretungsregelungen mit korrespondierenden Weiterleitungsregelungen und „Out-of-Office“-Benachrichtigungen zu etablieren – natürlich unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen.

2.   Homeoffice-Regelungen

Als die COVID-19-Pandemie Deutschland erreichte, wurden viele Mitarbeiter kurzerhand ins Homeoffice „geschickt“. Zum Aufstellen von verbindlichen Regeln für die Arbeit am häuslichen Arbeitsplatz blieb keine Zeit. Dies sollte jetzt dringend nachgeholt werden. Es ist damit zu rechnen, dass jedenfalls Bürotätigkeiten auf absehbare Zeit vermehrt im Homeoffice ausgeübt werden, sodass es sinnvoll ist, einheitliche Regelungen hierfür zu treffen.

Dabei sind insbesondere Regelungen zur Arbeitszeit, zur Zeiterfassung, zur Informations- und Datensicherheit und zum Aufwendungsersatz zu empfehlen. Außerdem sollten konkrete Vorgaben in puncto Datenschutz erfolgen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften als auch in Bezug auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen. Letzteres ist insbesondere deshalb wichtig, weil das neue Geheimnisschutzgesetz Betriebsgeheimnisse grundsätzlich nur schützt, wenn angemessene Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Umfassendere Informationen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit im Homeoffice finden Sie hier in einem Beitrag unserer Kollegin Nina Diercks.

3.   Beteiligung und technische Ausstattung von Betriebsräten

Ist ein Betriebsrat vorhanden, sind bei vielen Maßnahmen, die zur Sicherstellung der Betriebsabläufe in Betracht kommen, dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. Arbeitgeber sollten daher sorgfältig prüfen, ob eine geplante Maßnahme der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und/oder ob die jeweilige Maßnahme durch eine für alle Mitarbeiter unmittelbar geltende Betriebsvereinbarung umgesetzt werden kann.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Handlungsfähigkeit des Betriebsratsgremiums im Falle eines „Lock downs“ oder bei weitreichenden Kontaktbeschränkungen gewährleistet werden kann. In den nächsten Tagen wird der Gesetzgeber rückwirkend zum 1. März 2020 – und befristet bis zum 31. Dezember 2020 – die rechtlichen Voraussetzungen für das Abhalten von Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenzen schaffen. Dies war nach bisheriger Rechtslage nicht zulässig. Im Hinblick darauf sollte geprüft werden, inwieweit der Betriebsrat über die erforderliche technische Ausstattung verfügt, um von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch machen zu können. Dies ist auch aus Arbeitgebersicht wichtig, damit der Betriebsrat bei Bedarf rechtssichere Beschlüsse kurzfristig fassen kann.

4.   Neue Urlaubs- und Vergütungsregelungen

Auch nach der aktuellen Akut-Phase wird die COVID-19-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die Betriebe haben. So nehmen etwa viele Mitarbeiter derzeit kaum Urlaub in Anspruch. Es ist damit zu rechnen, dass die meisten Mitarbeiter erst in der zweiten Jahreshälfte wieder Urlaubswünsche äußern werden. Diese Wünsche kollidieren unter Umständen mit betrieblichen Bedürfnissen, aber auch mit den Wünschen anderer Mitarbeiter. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, zumindest einen gewissen Anteil des Urlaubs bereits jetzt in der Akut-Phase zu gewähren. Um einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen und Konflikte innerhalb der Belegschaft zu vermeiden, sollten Arbeitgeber daher sowohl für das laufende Jahr als auch für das Folgejahr verbindliche Urlaubsregelungen aufstellen. In Betracht kommen etwa Regelungen zum Zeitpunkt der Urlaubsplanung, zur Verteilung und Gewährung von Urlaub, zur Auflösung von Kollisionen zwischen Urlaubswünschen verschiedener Mitarbeiter, zur Mindestbesetzung von Abteilungen und ggf. zu Betriebsferien. Auch Regelungen bezüglich des Abbaus von Überstunden durch Freizeitausgleich können sinnvoll sein.

Bei Bonus- und Prämien-Systemen kann sich angesichts der negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ein Anpassungsbedarf an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ergeben. Hierzu müssen die bestehenden Regelungen geprüft und ggf. rechtssichere Änderungen vorgenommen werden.

Wenn es die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erlaubt, kann zur Mitarbeitermotivation ein sog. „Coronabonus“ gezahlt werden. Arbeitgeber können noch bis zum Jahresende 2020 einen steuer- und sozialabgabenfreien Bonus in Höhe von bis zu EUR 1.500 gewähren, um die Leistungen ihrer Mitarbeiter während der Coronakrise zu honorieren. Diese Regelung gilt für alle Arbeitnehmer und ist nicht auf sog. systemrelevante Berufe beschränkt. Allerdings muss es sich um eine zusätzliche Leistung handeln; bereits bestehende Vergütungsansprüche können nicht in einen solchen „Coronabonus“ umgewandelt werden. Nähere Informationen hierzu finden Sie im Beitrag unserer Kollegin Kristina Baumgart. Auch insoweit sind ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten.

Dieser Überblick zeigt, dass die COVID-19-Pandemie in arbeitsrechtlicher Hinsicht neue Themen geschaffen und alte Themen zurück auf die Tagesordnung geholt hat. Mit Blick auf eine mögliche zweite Infektionswelle sollten diese Themen zeitnah angegangen werden.

Sollten Sie hierzu Fragen haben oder Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen benötigen, sprechen Sie uns gern an.

Weitere aktuelle rechtliche sowie steuerliche Themen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie finden Sie hier.

Für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags danken wir Hazel Franke, Rechtsreferendarin bei MÖHRLE HAPP LUTHER.