Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf Unternehmensbewertungen

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Die Ausbreitung des Coronavirus hat neben den unmittelbaren Folgen auf die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung einen erheblichen Einfluss auf die globale Wirtschaft. Die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, wie Quarantänen und Grenzschließungen, haben globale Lieferketten unterbrochen, die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen geschwächt sowie Rückgänge im Tourismus und bei Geschäftsreisen verursacht.

Auch wenn die Corona-Pandemie nicht mehr lange andauern sollte und sich Produktion und Nachfrage allmählich erholen sollten, ist mit einer erheblichen Belastung des globalen Wachstums zu rechnen. Diese Entwicklung ist somit auch in aktuellen Unternehmensbewertungen zu berücksichtigen. Die Herausforderung besteht hier insbesondere darin, das Ausmaß und die Dauer der negativen Effekte und die damit einhergehenden Konsequenzen für Unternehmensplanungen und Kapitalkosten einzuschätzen.

Das stellt Bewerter vor große Herausforderungen. Noch ist nämlich unklar, wie hoch das Ausmaß und auch die Dauer der negativen Effekte der Corona-Krise sein werden, sodass auch für Unternehmensbewertungen ein erheblicher Unsicherheitsfaktor – sowohl für Planungsrechnungen als auch bei der Bestimmung sachgerechter Kapitalkosten – hinzugekommen ist.

Erwartung künftiger Überschüsse

Es ist davon auszugehen, dass der Verlauf der Corona-Pandemie hinsichtlich ihrer weiteren Entwicklung dem Verlauf vorangegangener Pandemien ähneln wird. Insofern wird sich das Ausmaß der Auswirkungen der Corona-Krise bei langfristig orientierten Bewertungsverfahren in vielen Fällen vermutlich relativieren. Dennoch sind im Einzelfall die kurz- bis mittelfristigen sowie die langfristigen Folgen zu analysieren, da sich häufig zumindest in der kurz- bis mittelfristigen Betrachtung negative Auswirkungen für die Unternehmen ergeben können.

Die Folgen der Corona-Krise sind für jedes Unternehmen je nach Branche und Geschäftsmodell individuell zu beurteilen. Auf Basis der bereits eingetretenen und individuell sowie weltweit beobachteten Effekte wird das Ausmaß der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Unternehmen zumindest tendenziell abschätzbar sein.

Die Dauer der negativen Effekte hingegenist noch schwer abschätzbar. Hier sind drei Szenarien denkbar:

  1. unmittelbare Erholung („V-förmiger Verlauf“),
  2. Erholung mit zeitlicher Verzögerung („U-förmiger Verlauf“) oder
  3. Insolvenz („L-förmiger Verlauf“).

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigt und geht im wahrscheinlichsten Szenario (Basisszenario) davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland über den Sommer, ähnlich dem sich abzeichnenden Verlauf in China, wieder normalisiert („V-förmiger Verlauf“). Selbst im ungünstigsten Fall (ausgeprägter „V-förmiger Verlauf“ bzw. langer „U-förmiger Verlauf“) rechnet er mit einer wirtschaftlichen Erholung im Jahr 2021. Auch wenn sich die Wirtschaft zeitnah erholen sollte, werden viele Unternehmen langfristig mit den Folgewirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, sodass stets eine individuelle Betrachtung erforderlich ist. Im Einzelfall ist nicht auszuschließen, dass Unternehmen in eine bestandsgefährdende Krisensituation geraten. Die Bundesregierung hat zwar umfangreiche Hilfsmaßnahmen ergriffen (bedingte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Gewährung von Krediten und Bürgschaften sowie Zuschüssen, Kurzarbeit etc.), um drohende Insolvenzen zu vermeiden, dennoch ist kritisch zu prüfen, ob langfristig eine ausreichende Ertragskraft zu erwarten ist.

Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen nach der Krise in vielen Fällen mit veränderten Rahmenbedingungen hinsichtlich des Beschaffungsmarktes oder des Absatzmarktes konfrontiert sein werden. Die derzeitige Situation unterscheidet sich maßgeblich von vorangegangen Pandemien, da in der Zwischenzeit die Globalisierung weiter vorangeschritten ist und entsprechend bereits heute viele traditionelle Geschäftsmodelle infrage gestellt sind. Folglich ist zu analysieren, wie sich weitere Entwicklungen – z. B. in den Bereichen Kommunikation, Logistik, Konsumverhalten – beschleunigen oder verzögern. Diese Aspekte sind unternehmensindividuell zu untersuchen. Der Bewerter muss einschätzen bzw. feststellen, inwiefern Geschäftsmodell und -entwicklung sowie die Unternehmenspläne aus der Zeit vor der Krise auch in Zukunft noch tragfähig und diese ggf. angepasst einer Bewertung zugrunde zu legen sind.

Risikoprämie/Kapitalkosten

Bezüglich der Kapitalkosten weist der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. darauf hin, dass sich diese auch in Krisenzeiten an langfristigen Analysen von Renditen orientieren und die aktuellen Ereignisse nicht als langfristiger Stimmungsindikator einzuordnen sind. Im Ergebnis sieht der FAUB keinen Anlass, die bisherige Methodik zur Ableitung der Kapitalkosten aufgrund der Corona-Pandemie anzupassen. Daher bleibt es bei einer unveränderten Orientierung der Kapitalkosten an folgenden Maßstabbandbreiten: Marktrenditen 7,0 % bis 9,0 %, Marktrisikoprämie 6,0 % bis 8,0 %, (jeweils nach Unternehmenssteuer und vor persönlichen Steuern).

Multiplikatorverfahren

Bei der Anwendung des Multiplikatorverfahrens sind derzeit im Hinblick auf die starke Volatilität der Aktienkurse an den Börsen seit Beginn der Pandemie zwei Aspekte besonders zu beachten. Erstens schlagen Börsenkurse in Krisenzeiten meist zu sehr nach unten aus, da Investoren zur Vermeidung von Kursverlusten oder wegen kurzfristiger Liquiditätsengpässe ihre Anteile verkaufen, was wiederum anderen Anlegern ein Verkaufssignal geben kann und den Kursverfall weiter verstärkt. Zweitens passen Analysten ihre Schätzungen tendenziell stark zeitverzögert an die kurzfristigen Veränderungen und Verzerrungen an. Somit sind die Risiken in Krisenzeiten in den Multiplikatoren oft nur einseitig in der Börsenkapitalisierung berücksichtigt, nicht jedoch in den erwarteten Performancekennzahlen der Unternehmen (bspw. EBITDA oder EBIT); dies verzerrt die Multiplikatoren nach unten und macht daher deren reflektierte Anwendung auf das zu bewertende Unternehmen erforderlich.

Fazit

Während die Bewertungsmethodik sowie die Marktrisikoprämie im Kapitalisierungszinssatz unverändert bleiben können, sind die Erwartungen der künftigen Überschüsse unternehmensspezifisch den Auswirkungen der Corona-Pandemie anzupassen. Die Herausforderung für die Bewerter besteht darin, die Unsicherheiten in Bezug auf die künftige Entwicklung der Wirtschaft im Allgemeinen sowie des Unternehmens im Speziellen zu quantifizieren.

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