Hintergrund

Bereits seit einigen Jahren arbeiteten die OECD-Mitgliedsstaaten sowie die EU-Kommission an der Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Die Idee einer solchen Anzeigepflicht ist, dass die multinationalen Unternehmen selbst ihre Steuervermeidungsstrategie offenlegen und die Staaten sodann zeitnah auf diese Strategien durch entsprechende („Gegen“-)Maßnahmen reagieren können. Dabei mündete die Arbeit der EU in der sog. DAC6-Richtlinie, die bereits zum 25. August 2018 in Kraft getreten ist und in Deutschland durch ein entsprechendes Umsetzungsgesetz (§§ 138 ff. AO) mit Wirkung zum 1. Juli 2020 in Kraft gesetzt wurde. Die in dem Gesetz enthaltenen Meldepflichten mussten danach ab August 2020 erfüllt werden.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie erlaubte der Europäische Rat den Mitgliedsstaaten jedoch eine Verschiebung der Anzeigepflicht um 6 Monate, wobei davon ausgegangen wurde, dass Deutschland von diesem Recht Gebracht macht. Völlig überraschend verkündete das BMF nunmehr auf einer Pressekonferenz am 6. Juli 2020, dass Deutschland die gewährte Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen wird.

Damit gelten die bereits Anfang des Jahres beschlossenen Meldefristen unverändert ab dem August 2020.

Konsequenz dieser „Meinungsänderung“ des BMF ist es, dass sich sowohl die Steuerpflichtigen als auch deren Berater ab sofort mit der Erfüllung dieser Anzeigepflicht beschäftigen müssen.

Warum ist zu melden (gesetzliche Grundlage)?

Die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen ist in den §§ 138d bis 138k AO geregelt.

Danach besteht eine Pflicht zunächst für diejenigen, die eine grenzüberschreitende Steuergestaltung entweder vermarkten, für Dritte konzipieren oder zur Nutzung bereitstellen oder ihre Umsetzung durch Dritte als sog. Intermediär verwalten.

Sie haben diese Gestaltung an das Bundeszentralamt für Steuern nach Maßgabe der §§ 138 f und § 138h AO mitzuteilen.

Was ist zu melden?

Meldepflichtig sind grundsätzlich „Gestaltungen“, deren Umsetzung bzw. Umsetzung der ersten Schritte nach dem 24. Juni 2018 erfolgte.

Diese Mitteilungspflicht besteht, wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung i. S. d. § 138d Abs. 2 AO vorliegt. Voraussetzungen dafür sind:

  • Gegenstand dieser sind eine oder mehrere Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist (also alle Steuern mit Ausnahme der Umsatzsteuer, Zölle und bestimmte Verbrauchsteuern).

  • Die Gestaltung hat einen grenzüberschreitenden Bezug, weil eine Verbindung zum Ausland in der Gestaltung besteht, d. h. mehrere Staaten involviert sind. Entweder ist mehr als ein Mitgliedstaat der EU oder ein Mitgliedstaat und mind. ein Drittstaat betroffen. Dabei gilt als Beteiligter der relevante Steuerpflichtige, der die Gestaltung nutzt, dessen Geschäfts- oder Vertragspartner und ggf. der Intermediär (z. B. der Berater).

  • Außerdem muss die Gestaltung mindestens ein Kennzeichen i. S. d. § 138e AO erfüllen. Dafür gibt es zwei Alternativen. Entweder erfüllt die Gestaltung ein Kennzeichen i. S. d. § 138e Abs. 1 AO (sog. bedingte Kennzeichen) und erfüllt zudem die Voraussetzung, dass der steuerliche Vorteil ein Hauptvorteil der Gestaltung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände von dieser Gestaltung einer der Vorteile i. S. d. § 138d Abs. 3 AO, oder die Gestaltung weist ein Kennzeichen i. S. d. § 138 Abs. 2 AO (sog. unbedingte Kennzeichen) auf.

    • Liegt ein sog. bedingtes Kennzeichen vor, muss ein steuerlicher Vorteil bestehen, dessen Erlangung Hauptvorteil oder einer der Vorteile der Gestaltung ist (sog. Relevanztest). Dabei liegt ein steuerlicher Vorteil dann vor, wenn Steuern erstattet oder Steuervergünstigungen gewährt oder erhöht werden, Steueransprüche entfallen oder verringert werden oder die Entstehung von solchen Ansprüchen verhindert oder verschoben wird. An dieser Stelle ist die Abgrenzung von den gesetzlich vorgesehenen Steuervorteilen elementar, welche das BMF in dem Entwurf eines Schreibens zur Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen aufgelistet hat. Dieses umfasst derzeit acht Steuervorteile, die erlaubt sind (daher sog. „White List“). Dazu gehört z. B. die Ausnutzung persönlicher Freibeträge. Eine Widerlegung des Verdachts, dass steuerliche Vorteile der Hauptvorteil oder wesentlicher Vorteil der Gestaltung sind, ist möglich. Allerdings müssen diese glaubhaft gemacht werden, ein Vorbringen genügt nicht.

    • Die sog. unbedingten Kennzeichen zielen insbesondere auf sog. hybride Gestaltungen ab, welche dazu führen, dass aufgrund unterschiedlicher Beurteilung die Betriebsausgaben in zwei oder mehr Staaten berücksichtigt werden können oder die Einkünfte in keinem Staat besteuert werden. Darüber hinaus unterfallen dieser Regelung auch Verrechnungspreisgestaltungen.

Wer ist meldepflichtig?

Meldepflichtig ist grundsätzlich der Intermediär, also derjenige, der die grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung verwaltet, d. h. wie z. B. ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt. Darüber hinaus besteht eine solche auch für den Nutzer, d. h. den Steuerpflichtigen selbst, sofern dieser die Steuergestaltung selbst erstellt/konzipiert hat oder dessen Intermediär nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wird.

An wen ist zu melden?

Die Meldung erfolgt elektronisch beim Bundeszentralamt für Steuern.

Bis wann ist zu melden?

Hinsichtlich der Meldung ist zwischen sog. Altfällen (Verwirklichung zwischen 25.06.2018 und 30.06.2020) sowie Neufällen (Verwirklichung nach dem 01. Juli 2020) zu unterscheiden. Altfälle sind bis zum 31. August 2020 zu melden. Die Meldung von Neufällen hat innerhalb von 30 Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an welchem das meldepflichtige Ereignis eintritt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Ereignis dem Nutzer zur Umsetzung bereitgestellt wird, diese umsetzungsbereit ist oder der Nutzer erste Schritte zur Umsetzung macht.

Folgen fehlender bzw. nicht vollständiger oder fristgerechter Meldung

Sollte die Meldung nicht rechtzeitig erfolgen nicht vollständig sein oder gar nicht erfolgen, kann eine Geldbuße bis zu EUR 25.000 erlassen werden. Dabei gilt diese Strafe für jedes meldepflichtige Ereignis. Sollte eine Angabe in der Steuererklärung unterbleiben, kann nochmals eine Strafe verhängt werden.